59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
„Wir gehen spazieren.“
Er zog den anderen vom Boden auf und schaffte ihn fort.
„Verzeihung, Herr Major!“ meldete einige Zeit später der Ulanenwachtmeister. „Ein Spion.“
„Wieder?“ fragte Königsau.
„Ja.“
„Wohl wieder ein Pudding?“
„O nein. Jetzt ist's ein wirklicher Spion.“
„Kein Feldwebel?“
„Nein, Herr Oberstwachtmeister. Der dicke Feldwebel hat ihn sogar gefangen genommen.“
„Wo?“
„Da, wo er passieren sollte. Er bittet um die Erlaubnis, ihn vorführen zu dürfen.“
„Herein also!“
Schneffke brachte den Gefangenen herein. Kaum hatte Königsau einen Blick auf den letzteren geworfen, so fuhr er erstaunt empor.
„Der Zauberer!“
Der Gefangene hatte starr vor sich niedergeschaut. Bei diesen Worten erhob er den Blick.
„Abu Hassan!“ sagte der Major.
Der Beduine blickte ihn forschend an.
„Herr, kennst du mich?“ fragte er.
„Ja.“
„Wo hast du mich gesehen?“
„Das ist jetzt Nebensache.“
„Mir klingt deine Stimme bekannt; ich muß mit dir gesprochen haben.“
„Möglich. Was tust du hier?“
„Ich bin dein Gefangener. Töte mich.“
„Wie? Du verlangst nach dem Tod?“
„Ich bin in deiner Hand.“
„Du willst sterben, ohne Liama gesehen zu haben?“
„Liama? Allah! Was weißt du von ihr?“
„Mehr als du!“
„Du hast mich zufällig gesehen, und ebenso zufällig von Liama gehört. Nun sprichst du von ihr.“
„Du irrst. Vorher aber sage, wie du hier nach Malineau kommst.“
„Man hat mich gezwungen unter die Spahis zu gehen.“
„Ach so! Du befindest dich draußen bei denen, welche uns eingeschlossen haben?“
„Ja. Man nahm uns fest und steckte uns in das Regiment, mich und meinen Bruder – – –“
„Saadi heißt er? Nicht?“
„Herr, was weißt du von Saadi Ben Hassan?“
„Genug. Aber erzähle weiter!“
„Wir sind in den Krieg gezogen bis heute und bis hierher. Sollen wir weiter mit? Sollen wir unser Blut und unser Leben geben für diejenigen, mit denen wir eine ewige Blutrache haben? Nein. Während mein Bruder Wache stand, ging ich, um zu forschen, ob uns der Feind der Franzosen beschützen werde, wenn wir unsere Zuflucht bei ihm suchen.“
„So bist du demnach kein Spion?“
„Nein.“
„Sondern ein Überläufer?“
„Ja. Herr, darf ich meinen Bruder holen?“
„Wo befindet er sich?“
„Ich sagte dir bereits, daß er Wache steht.“
„Das weiß ich. Aber wo?“
„Da, wo dieser Mann mich fast erwürgte.“
„Wärst du ein Spion, so müßte ich dich töten lassen; aber ich will dir glauben, denn ich kenne dich. Du bist also gezwungen worden, deine Heimat zu verlassen?“
„Ich hätte sie auch verlassen, aber nicht als Soldat.“
„Wohin wolltest du?“
„Ich bin Hassan, der Zauberer; ich zeige den Leuten die Kunststücke, welche sie mir bezahlen.“
„Ist Saadi auch ein Zauberer?“
„Nein.“
„Warum nahmst du ihn mit?“
„Er sollte sehen – – –“
Er stockte.
„Ich weiß, was du sagen willst“, meinte Königsau. „Er sollte sehen, Marion, die Tochter Liamas.“
„Herr, woher weißt du das?“
„Ich kenne deine Gedanken. Wie lange hat Saadi, dein Bruder, Wache zu stehen?“
„Eine Stunde; dann löse ich ihn ab.“
„Komm! Ich will dir jemand zeigen.“
Während der Maler warten mußte, begab sich Königsau mit dem Gefangenen eine Treppe höher. Dort blieb er an einer Tür halten und lauschte. Drin hörte man eine weibliche Stimme sprechen.
„Hier sollst du eintreten“, sagte der Major.
„Wer befindet sich da?“
„Eine Frau.“
„Ich höre sprechen!“
„Sie spricht mit sich selbst. Gehe hinein!“
Er öffnete, ohne anzuklopfen, und schob den Beduinen in das Zimmer. Erst war alles still; dann aber hörte er Hassans Stimme:
„Liama! Allah ist groß und mächtig! Bist du Liama, oder bist du es nicht?“
„Hassan!“ antwortete sie. „Hassan!“
„Sie kennt mich. Sie ist kein Geist, keine Vision; sie lebt; sie ist wirklich Liama!“
Es folgten Ausrufe des Erstaunens, des Entzückens, der Verwunderung, der Klage. Aber Königsau hatte keine Zeit; er öffnete die Tür und sagte:
„Hassan, komm! Die Zeit ist abgelaufen.“
„Herr, sei gnädig! Laß mich noch einige Zeit bei der Herrin der Beni Hassan. Sie soll mir erzählen –“
„Nein, nein; jetzt nicht. Du sollst sie wiedersehen, noch heute; jetzt aber mußt du gehorchen.“
Hassan warf einen bedauernden Blick auf Liama und ging mit Königsau zurück.
„Also, du
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