59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
der Tag gesegnet, an welchem ich in feindlicher Abwehr dein Vaterland betrat. Du sollst ein anderes finden, ein Vaterland, ein Vaterhaus, in welchem du die Königin bist, welche angebetet und verehrt wird, wie keine andere auf Erden.“
Und unten bei Papa Melac hatte das Gespräch auch eine innigere Wendung genommen, nämlich zwischen Marie und ihren Hieronymus. Der alte Schließer aber befand sich nicht mehr in den Jahren, in denen man Liebe speist und Mondschein trinkt. Er meinte:
„Also, mein bester Herr Schneffke, Sie sagen, daß Sie unsere Marie liebhaben?“
„Fürchterlich!“ beteuerte der dicke Feldwebel, indem er seine Rechte wie zum Schwur erhob.
„Gehören Sie zu den Menschen, bei denen ein solches Gefühl von längerer Dauer ist?“
„Ich pflege ewig zu lieben!“
„So! Nun, ich sage Ihnen ganz aufrichtig, daß Sie mir gleich im ersten Augenblick gefallen haben. Aber jetzt sind Sie Soldat; da dürfen Sie nicht an die Erfüllung privater Wünsche denken.“
„Warum nicht? Wenn ich zum Beispiel Appetit zu einem Glas Wein habe, so ist das wohl jedenfalls auch ein privater Wunsch. Oder nicht, Monsieur Melac?“
„Ja, gewiß.“
„Nun, wer will etwas dagegen haben, wenn ich mir diesen Wunsch erfülle, Monsieur?“
„Ich nicht.“
„Schön! Warum sind Sie denn da so streng in Beziehung meines ersten Wunsches?“
„Weil das eine ganz andere Sache ist. Ich will Ihnen sagen, mein bester Herr Schneffke: Glauben Sie, daß die Deutschen so fortsiegen werden, wie jetzt?“
„Ja, gewiß!“
„Nun, dann seien Sie getrost. Kommen Sie an dem Tag, an welchem Napoleon fortgejagt worden ist, zu mir, um Marie von mir zu verlangen, so werde ich Sie nicht fortjagen.“
„So ist mir Mariechen sicher; denn fortgejagt wird der Napoleon.“
„Etwa von Ihnen?“
„Ja, auch mit. Er soll nicht etwa mit mir besonders anfangen, sonst ist ihm sein Brot gebacken. Wir brauchen hier in Europa keinen Napoleon und in Frankreich keinen Neffen des Onkels. Er muß abdanken, damit ich eine Frau bekomme; das ist so sicher wie Pudding. Also, Sie geben mir Ihr Wort, Monsieur Melac?“
„Ja, mein Wort und meine Hand. Hier!“
Sie schlugen ein; dann verabschiedete sich der Maler.
Er mußte natürlich den Weg wieder zurücklegen, auf welchem er gekommen war. Einer der Unteroffiziere brachte ihn zu dem betreffenden Posten. Bei demselben angekommen, legte er sich auf die Erde nieder, um seine Kriechpartie zu beginnen. Noch aber war er nicht weit gekommen, so war es ihm, als ob er hart vor sich zwei ganz eigenartige Punkte erblickte.
„Sind das Menschenaugen?“ dachte er.
Er kroch schnell zur Seite und wartet. Ja, wirklich, da schob sich eine menschliche Gestalt leise und langsam an ihm vorüber.
Wer war das? Freund oder Feind? Irrte er nicht, so trug der Mensch weite Pluderhosen, so wie sie bei den Orientalen getragen werden. Was tun?
Kurz entschlossen, kehrte Schneffke wieder um, hart hinter dem andern her. Es gelang ihm, demselben zu folgen, ohne von ihm bemerkt zu werden.
Der Fremde kam an dem Posten vorüber; aber nun hielt Schneffke es für geraten, einzugreifen. Er schlug einen kurzen Bogen, traf Kopf an Kopf mit dem anderen zusammen und faßte ihn an der Kehle, die er ihm so zusammendrückte, daß er keinen Laut von sich zu geben vermochte.
„Pst!“ machte er dann leise.
Der Posten hörte es nicht.
„Pst, Ulan!“
„Was? Wer? Was?“ antwortete der Angeredete.
„Leise, ganz leise! Ich habe einen Spion.“
„Donnerwetter! Wer sind Sie denn?“
„Der Dicke.“
„Der soeben hier war?“
„Ja.“
„Das glaube der Teufel! Der ist ja fort.“
„Unsinn. Ich bin noch da. Hier, überzeugen Sie sich. Ich begegnete diesem Kerl einige Schritte weit von hier und bin also wieder umgekehrt.“
Der Posten bückte sich nieder und überzeugte sich mit den Händen, da die Augen nicht genügten.
„Wirklich“, sagte er. „Das ist der dicke Klumpen.“
„Mensch, ich bin Feldwebel.“
„Wer's glaubt! Und der da, wie der zappelt! Halten Sie ihn nur fest.“
„Er reißt mir nicht aus. Haben Sie nicht eine Schnur?“
„Einen Riemen.“
„Her damit. Wir binden ihn, und dann schaffe ich ihn zum Wachtkommandanten.“
Der Gefangene war wohl auch ein kräftiger Mensch, aber er war überrascht worden; er fand keinen Atem; dies raubte ihm sowohl die Besinnung, als auch die Kraft. Er ließ sich die Arme fesseln, ohne sich zur Wehr zu setzen.
„So, Gevatter, nun steh auf!“ meinte Schneffke.
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