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59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan

59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan

Titel: 59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vergolden und mit Edelsteinen besetzen lassen?“
    „Das ist nicht nötig. Napoleon war ein Kind seiner Zeit.“
    „Wie jeder andere Mensch auch, ja.“
    „Er war vielleicht, ja ganz gewiß, der legitimste Sohn der Revolution.“
    „Ist das eine Ehre für ihn?“
    „Wenn es keine Ehre für ihn sein sollte, was ich sehr bezweifle, so ist es doch ein Entschuldigungsgrund. Gibst du etwa nicht zu, daß die Revolution die notwendige Folge der damaligen Zustände war?“
    „Was das betrifft, so stimme ich dir bei. Die Luft war verdorben, es lagen Miasmen und Dünste über den Reichen; es mußte ein Sturm kommen.“
    „Du erklärst also die Revolution für berechtigt?“
    „Für berechtigt nicht, aber für begründet.“
    „Das ist eins. Was einen Grund hat, da zu sein, das hat auch das Recht des Daseins.“
    „Meinetwegen. Ich bin kein Wortklauber.“
    „Und wenn du die Revolution für berechtigt hälst, so erklärst du auch ihren größten, begabtesten Sohn, nämlich Napoleon, für legitim.“
    „Du spricht wahrhaftig wie ein Professor!“
    „Sage lieber, wie ein Rechtsanwalt! Ich verteidige den Angeklagten.“
    „So laß dich nur von seinem Neffen gut bezahlen.“
    „Ich verlange kein Honorar; ich tue es aus Gerechtigkeitsgefühl. Bonaparte hat viel, viel gefehlt, aber er hat unendlich mehr Segen gebracht. Der Sturmwind, welchen er anfachte, hat vieles Verfaulte zum Land hinausgejagt.“
    „Auf wie lange? Die Fäulnis begann sofort wieder.“
    „Daran war er nicht schuld.“
    „Das gebe ich allerdings zu, aber ich darf auch nicht zugeben, daß du das Kind mit dem Bade ausschüttest.“
    „So entschuldige mich“, lachte der Alte, sich grimmig den weißen Schnurrbart streichend.
    „O bitte, bitte! Er war ein Löwe, und du weißt, daß der Löwe ein etwas wildes Tier ist, den man nicht so wie ein zahmes Kaninchen beurteilen darf.“
    „Wen meinst du mit Kaninchen?“
    „Direkt niemanden.“
    „Ich hätte dich auch aus der Tür geworfen.“
    „Danke, Vetter! Aber Zahme gab es damals gerade genug.“
    „So, so. Und Blücher, Gneisenau, York, Wellington?“
    „Das war später. Übrigens war dann Napoleon ein gefallener Löwe. Man hatte ihm die Pranken gefesselt, er wurde von England zu Tode gequält. Einen gefallenen Gegner aber, welcher sein Unglück mit Würde trägt, muß man achten.“
    „Hm! Du sprichst nicht übel.“
    „Habe ich nicht recht?“
    „Mit der letzteren Bemerkung, ja.“
    „Ich sage dir, daß ich ihn nicht nur achte, sondern in vielem sogar bewundere.“
    „Oho! Bete ihn doch lieber an.“
    „Das fällt mir nicht ein. Du hast viele Deutsche, welche ihr Vaterland lieben, den damaligen Druck schwer empfanden und doch mit Begeisterung von ihm sprechen.“
    „So! Wer sind denn diese guten Leute?“
    „Ich kann dir nicht Hunderte von Namen nennen.“
    „Aber bitte, doch wenigstens einige.“
    „Es gibt genug Deutsche, welche dem großen Kaiser ihre Feder weihten.“
    „Zum Beispiel?“
    „Heine.“
    „Ah! Der war ein Abtrünniger.“
    „Als Dichter nicht. Kennst du seine Grenadiere?“
    „Ist mir noch nicht vor die Augen gekommen.“
    „Wie ergreifend, wie überwältigend schildert da Heine die Opfertreue und die Inbrunst, mit welcher die Krieger des großen Napoleon an ihrem Feldherrn hingen.“
    „Das ist die Pflicht eines jeden Soldaten.“
    „Natürlich! Ich weiß das auch. Aber es gibt da doch wohl einen Unterschied. Die Preußen liebten ihren alten Fritz über alle Maßen – – –“
    „Das will ich meinen.“
    „Aber es war – hm, wie drücke ich mich aus. Es war etwas sehr viel Gemütlichkeit dabei. Die Liebe des französischen Soldaten war blindlings, war bigott. Es gibt kein anderes Wort als dieses letztere, welches den Nagel auf den Kopf trifft.“
    „Und das schildert dieser Heinrich Heine?“
    „Ja. Er erzählt von zwei französischen Grenadieren, welche todmüde aus den Schneefeldern Rußlands zurückkehren, wo sie gefangen gewesen sind. Sie hörten in Deutschland, daß Frankreich besiegt und der Kaiser gefangen sei. Das schmetterte sie nieder. Der eine sagte:
    ‚ – – – wie weh wird mir!
Mir brennt meine alte Wunde.‘“
    „Was ist das weiter. Es brennt manchem alten Krieger die Wunde, die er erhalten hat.“
    „Der Dichter meinte, daß die alte Wunde aufgebrochen sei, so daß der Grenadier sich daran verbluten müsse. Der andere Grenadier antwortete:
    ‚ – – – das Lied ist aus,
Auch ich möcht' mit dir sterben,
Doch

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