59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
hab' ich Weib und Kind zu Haus,
Die ohne mich verderben.‘“
„Das ist sehr verständig und vernünftig von diesem Mann. Er hat für seine Familie zu sorgen.“
„So aber dachte der andere Veteran nicht. Er antwortete:
‚Was schert mich Weib, was schert mich Kind,
Ich trage weit besseres Verlangen.
Laß sie betteln geh'n, wenn sie hungrig sind!
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!‘“
„Dieser Mensch verdient Prügel“, knurrte der alte grimmige Veteran.
„Der Dichter kann ja den Todesmut des Grenadiers nicht packender schildern, als in dieser Weise. Er fährt fort:
‚Gewähr mir, Bruder, eine Bitt!
Wenn ich jetzt sterben werde,
So nimm meine Leiche nach Frankreich mit,
Begrab mich in Frankreichs Erde.
Das Ehrenkreuz am roten Band
Sollst du aufs Herz mir legen,
Die Flinte gib mir in die Hand
Und gürt mir um den Degen!
So will ich liegen und horchen still
Wie eine Schildwach' im Grabe,
Bis einst ich höre Kanonengebrüll
Und wiehernder Rosse Getrabe,
Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
Viel Schwerter klirren und blitzen;
Dann steig' ich gewappnet hervor aus dem Grab,
Den Kaiser, den Kaiser zu schützen!‘“
Nachdem der General geendet hatte, beobachtete Königsau ein momentanes Schweigen und sagte dann:
„Und diese alten Krieger, wer hat sie niedergehauen?“
„Ihr natürlich.“
„Ja, wir. Und ebenso werden wir ihren Nachfolger besiegen!“
„Ich wünsche von ganzem Herzen, daß deine Ansicht die richtige sei.“
„Du glaubst doch nicht etwa das Gegenteil?“
„Nein. Aber kein Mensch ist allwissend. Der Krieg ist auf alle Fälle ein Unglück. Besser wäre es, wenn er unterbleiben könnte.“
„Oho! Ein lustiger Krieg führt zum Sieg. Ich freue mich königlich, daß die Franzmänner mit uns anbinden wollen, und wünsche ihnen von ganzem Herzen gesegnete Prügel.“
„Frankreich ist stärker als du denkst.“
„Pah! Es hat sein Prestige seit Sadowa verloren.“
„Daher schnaubt es auch seitdem Rache für Sadowa. Es hat sich gerüstet, und nun müssen wir eben abwarten, wie die Würfel fallen. Ich mache mit.“
„Bist du toll?“
„Nein. Ich bin im Gegenteil sehr bei Verstand.“
„Du in deinen Jahren.“
„Oho! Noch habe ich Mark in den Knochen.“
„Aber dein Kopf.“
„Sapperment! Erinnert mich nur nicht so oft an diese Schwäche. Es ist ja nur eine Lücke des Gedächtnisses, an der ich leide, weiter nichts.“
„Und dennoch denke ich, daß du dir die Sache vorher doch erst reiflich überlegen wirst.“
„Sie ist überlegt.“
„Sei gescheit, Vetter! Laß das sein.“
„Ich wüßte keinen Grund dazu.“
„Ich wiederhole: Dein Alter!“
„Alle Wetter! Ich bin ja noch nicht einmal achtzig Jahre alt. Wo denkst du hin.“
„Aber neunundsiebzig und dreiviertel.“
„Das ist doch kein Alter, bei welchem man sich auf das Sofa setzt, wenn der Tanz mit den Franzosen losgeht. Es bleibt dabei: Ich mache mit!“
„Als was?“
„Am liebsten als Kombattant; aber leider würde man mich da zurückweisen. Es bleibt mir also nichts übrig, als unter die Krankenpfleger zu gehen.“
„Aber, bedenke die Anstrengung.“
„Ich fürchte sie nicht. Ich gehe mit der Gardereiterei; da bleibe ich in Richards Nähe.“
„Hm! Ob er es billigen wird, daß du dich solchen Gefahren und Anstrengungen aussetzt?“
„Ich werde ihn wohl schwerlich um seine Erlaubnis fragen. Ich hoffe, da drüben, jenseits der Grenze, mit einem zusammenzukommen, mit dem ich noch eine alte, sehr alte Rechnung quitt zu machen habe.“
„Du meinst den Kapitän Richemonte? Es würde wohl besser sein, ihn jüngeren Leuten zu überlassen.“
„Jüngeren? Vetter, ich sage dir: Wenn ich an diesen Menschen denke, so fühle ich mich wie ein zwanzigjähriger Jüngling. Wehe ihm, wenn er das Unglück hätte, zwischen meine beiden Fäuste zu geraten.“
Der alte, ehrwürdige Mann hatte sich von seinem Sitz erhoben. Seine Augen blitzten; seine Fäuste waren geballt. Beim Anblick des greisen Recken hielt es der General allerdings für sehr wahrscheinlich, daß Richemonte im Falle eines Kampfes mit demselben unterliegen müsse.
Da trat der Diener ein.
„Gnädiger Herr“, meldete er, „es ist jemand da, der Sie zu sprechen wünscht.“
„Heute abend noch, wer ist es?“
„Eine Dame.“
„Hat sie ihren Namen gesagt?“
„Sie will ihn selbst nennen.“
„Das ist eigentümlich. Sie ist eine Unbekannte?“
„Nein.“
„Ah, so kenne ich sie? Also vielleicht eine Überraschung?
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