59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
kann mich wirklich nicht besinnen.“
„Paris!“
„In Paris soll ich Sie beide gesehen haben?“
„Gewiß.“
„Das muß höchst vorübergehend gewesen sein!“
„Im Gegenteile. Und zwar geschah es unter Verhältnissen, unter denen man sich die Physiognomien zu merken pflegt.“
„So bitte ich, meinem Gedächtnis zu Hilfe zu kommen!“
„Gern. Vielleicht erkennen Sie uns nur deshalb nicht, weil wir damals nicht diese Bärte trugen.“
„Möglich.“
„Legen wir sie also ab.“
Er nahm den Bart vom Gesicht.
„Mein Gott!“ sagte Lemartel erstaunt.
„Und dieses Haar. Weg damit.“
Er nahm sich auch die falsche Perücke vom Kopf.
„Vater Main!“ rief da Lemartel.
„Ah, jetzt erkennen Sie mich.“
„Und Lermille.“
„Ja, Lermille, der Bajazzo!“
„Sie hier, in Algier!“
„Wie Sie sehen.“
„Sie sind ja verloren, wenn man Sie bemerkt!“
„Was kümmert uns das!“
„Was wünschen Sie aber von mir?“
„Das werden Sie gleich hören. Setzen wir uns.“
Er drückte Lemartel auf einen Sitz nieder, und dann nahmen die beiden Menschen rechts und links von ihm Platz.
„Können Sie sich nun an unsere letzte Zusammenkunft in Paris erinnern?“ fragte Vater Main.
„So leidlich.“
„Sie waren damals nicht sehr entgegenkommend.“
„Das möchte ich nicht behaupten.“
„Ich behaupte sogar, daß Sie ganz das Gegenteil waren!“
„So stimmen unsere Erinnerungen nicht überein.“
„Höchstwahrscheinlich. Freilich muß ich dann behaupten, daß die meinige der Wirklichkeit angemessener sei als die Ihrige. Doch jetzt haben wir es nicht mit der Erinnerung, der Vergangenheit zu tun, sondern mit der Gegenwart. Wird Ihr Aufenthalt hier von längerer oder kürzerer Dauer sein?“
„Ich gedenke, sehr bald wieder abzureisen.“
„Ganz wie wir. Auch uns vermag Algier keinen Vorteil mehr zu bieten.“
„Hm!“ brummte Lemartel, da er nichts anderes zu sagen wußte.
„Sie freilich können leichter scheiden als wir.“
„Wieso?“
„Sie sind jedenfalls mit den Mitteln, deren man zur Reise bedarf, reichlicher als wir versehen.“
Hatte der Lumpenkönig bisher vermutet, daß es doch nur auf eine Bettelei abgesehen sei, so wurde diese Vermutung nunmehr zur Gewißheit. Er kannte diese beiden Kerls und ihre Verhältnisse; er war überzeugt, ohne Opfer von ihnen nicht wieder loszukommen, und so beschloß er, dieses zu bringen, dasselbe aber eine möglichst geringe Höhe annehmen zu lassen. Dann meinte er:
„Vielleicht sind Sie gerade im Vorteil gegen mich. Meine Reisetasche ist so zusammengeschmolzen, daß mir nur noch so viel bleibt, um nach Paris zurückzukommen.“
„Oh, das hat bei Ihnen keine Schwierigkeit. Sie vermögen die leere Kasse in jedem Augenblick wieder zu füllen.“
„Hier in Algier?“
„Ja.“
„Das dürfte wohl schwer, oder gar unmöglich werden, Messieurs.“
„Oh, jeder Bankier würde sich beeilen, Ihre Anweisung zu honorieren.“
„Man kennt mich hier nicht so genau, wie Sie denken.“
„Ich bin überzeugt, daß Ihr Name hier fast ebenso bekannt ist, wie in Paris. Übrigens – diese hier scheint mir nicht sehr arm ausgestattet zu sein.“
Bei diesen Worten deutete er auf die Brieftasche, welche noch auf dem Tisch lag. Der Lumpenkönig griff rasch nach ihr, steckte sie ein und sagte möglichst gleichmütig:
„Kontrakte und ähnliche Dokumente, aber leider kein Geld, wie Sie vielleicht denken.“
„Nun, das ist uns gleich. Wir haben es zunächst nicht mit Ihrer Brieftasche, sondern mit Ihnen selbst zu tun.“
„Womit kann ich dienen?“
„Mit einem kleinen Vorschuß, Monsieur Lemartel.“
„Wie kommen Sie denn auf den Gedanken, sich da an mich zu wenden?“
„Hm! Alte Bekanntschaft. Sie werden sich jedenfalls freuen, daß wir so gern an Sie denken. Unsere Lage ist nicht beneidenswert. Sie sind überzeugt, daß wir nicht umsonst auf Ihr Mitgefühl gerechnet haben.“
„Wieviel werden Sie brauchen?“
„Hm! Das ist leichter gefragt als gesagt. Die Polizei streckt ihre Arme nach uns aus. Wollen wir wirklich in Sicherheit kommen, so müssen wir weit fort, sehr weit. Selbst Amerika bietet uns keinen Schutz. Wir müssen nach Australien. In welcher Passagierklasse wir die Überfahrt machen, ob erster oder zweiter Klasse oder gar nur Zwischendeck, das bleibt natürlich Ihrem Ermessen anheimgestellt.“
Lemartel erschrak sichtlich.
„Wie?“ meinte er. „Höre ich recht? Sie scheinen anzunehmen, daß ich die Kosten der
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