6. Die Rinucci Brüder: Neapel sehen und sich verlieben
Sie wird Toni ganz bestimmt nicht verlassen.“ „Nein. Aber er wäre sicher traurig, wenn er spüren würde, dass sie für Franco immer noch etwas empfindet. Sie bedeutet ihm alles. Er ist ein so lieber Mensch und sollte nicht verletzt werden.“ „Ja, das finde ich auch. Obwohl ich nicht weiß, wie er aussieht, habe ich gespürt, wie freundlich, ausgeglichen und sanft er ist. Er strahlt eine innere Stärke aus.“
„Du hast ihn sehr genau beschrieben“, stimmte Della ihr zu.
Als die ganze Familie aus dem Krankenhaus zurückkam, erfuhr Celia, dass Lisa das Bewusstsein nicht wiedererlangt hatte.
Francesco war sehr schweigsam, doch bei dem gemeinsamen Abendessen im Hotelrestaurant drückte er Celia ab und an behutsam die Hand, so als brauchte er sie.
Als Hopes Handy kurz nach dem Essen läutete, meldete sie sich und hörte einen Moment zu. „Gut, wir kommen“, erklärte sie dann kurz angebunden.
„Was ist passiert?“, fragte Toni.
„Lisa ist bei Bewusstsein und möchte uns sehen, Francesco und mich.“
Fast hätte man glauben können, Toni hätte damit gerechnet, denn er reagierte völlig ruhig und gelassen. Er schien nicht einmal überrascht.
„Komm mit“, bat Hope ihn.
„Nein, mein Liebling. Ich würde nur stören, ich warte lieber hier auf dich.“
„Aber …“
„Geh jetzt“, forderte er sie liebevoll auf.
Schweigend umarmte sie ihn und küsste ihn auf die Stirn.
„Francesco, du musst deine Mutter begleiten“, wandte er sich an seinen Sohn.
„Ja, Vater.“ Wieder nahm er Celias Hand und ließ sie nicht mehr los. Sie hatte im Grunde keine andere Wahl und fuhr mit ihm und seiner Mutter ins Krankenhaus.
Schon auf dem Flur kam Franco ihnen entgegen.
„Lisa möchte dich etwas fragen, was sie schon viele Jahre beschäftigt, Hope. Ich habe versucht …“ Er verstummte hilflos.
„Was hast du ihr erzählt?“, wollte Hope wissen.
„Ich habe alles abgestritten. Aber das genügt ihr offenbar nicht, sie findet keinen Frieden.“ „Nur darauf kommt es jetzt an, Mutter. Du musst ihr helfen, ihren Frieden zu finden.“
Verblüfft blickten Franco und Hope Francesco an.
„Wie meinst du das?“, fragte sie.
„Das weißt du genau. Lisa liegt im Sterben, es gibt nur eins, was du noch für sie tun kannst.“ Celia hörte Hopes Schritte, als sie über den Flur ging und den Raum betrat. Dann hörte sie eine schwache, heisere Stimme. Hope hatte vergessen, die Tür hinter sich zuzumachen, vielleicht unabsichtlich, vielleicht aber auch mit voller Absicht.
Lisa hatte die Augen weit geöffnet, als Hope sich neben das Bett stellte.
„Danke, dass du gekommen bist.“ Sie deutete ein Lächeln an. „Ich muss unbedingt noch etwas klären und hatte früher leider nie den Mut dazu.“
„Das kann ich verstehen“, erwiderte Hope sanft.
„Also … ist Francesco Francos Sohn?“
Francesco sah von der Tür aus zu, wie seine Mutter den Kopf hob und Franco, der auf der anderen Seite des Bettes stand, in die Augen blickte.
„Sag es mir“, drängte Lisa leise. „Ich muss es wissen, ehe ich sterbe.“
„Meine Liebe, ich wünschte, du hättest mir diese Frage schon vor vielen Jahren gestellt“, begann Hope schließlich. „Dann wüsstest du längst, dass Francesco nicht sein Sohn ist. Es tut mir leid, dass ich dich beunruhigt habe, indem ich den Namen von Francescos leiblichem Vater geheim gehalten habe. Du hast keinen Grund, an Francos Treue zu zweifeln. Du bedeutest ihm alles, genauso wie Toni mir mehr bedeutet als jeder andere Mensch. Und jetzt lasse ich euch beide allein.“
Sie küsste Lisa zum Abschied auf die Wange und verließ das Zimmer. Als sie sich noch einmal umdrehte, hielt Franco seine Frau fest im Arm. Dieses Mal schloss Hope die Tür hinter sich. „Ist es dir sehr schwergefallen?“ Francesco legte seiner Mutter den Arm um die Schulter. „Ich habe getan, was ich tun musste. Du hattest recht, sie muss ihren Frieden finden, alles andere ist unwichtig.“
„Es war eine wunderbare Lüge“, stellte er fest.
Hope deutete ein Lächeln an. „Eigentlich nur eine halbe. Es stimmt wirklich, er liebt seine Frau über alles. Sonst wäre er damals nicht bei ihr geblieben.“
„Und was ist mit Toni?“
Statt zu antworten, warf sie einen liebevollen Blick über seine Schulter und ging auf jemanden zu. Francesco drehte sich um und sah, dass Toni auf sie wartete.
„Wohin geht sie?“, wollte Celia wissen.
„Zu Toni. Er sitzt auf der Bank am anderen Ende des Flurs. Er ist offenbar
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