6. Die Rinucci Brüder: Neapel sehen und sich verlieben
musste alles gut gehen, sie hatte es Francesco versprochen. Um sich selbst hatte sie keine Angst, nur um ihn.
Auf einmal geschah etwas, was sie sich auch später nicht erklären konnte. Sie sah ihn vor sich, er war da, vor ihrem inneren Auge. Sie sah ihn so klar und deutlich wie noch nie ein Bild zuvor. Wie sein Gesicht genau aussah, hätte sie nicht sagen können, aber sie erkannte seine gequälte, entsetzte Miene. Ihr, Celia, zuliebe versuchte er, seine Angst zu verbergen.
Seine Trostlosigkeit erfasste auch sie, sie empfand die Angst vor einem einsamen Leben, weil der Mensch, den man liebte, gegangen war. Sie hatte diese Angst in sein Leben gebracht; endlich begriff sie alles, was sie bisher bewusst oder unbewusst ausgeblendet hatte.
Als sie Silvios Stimme hörte, wurde sie ruhiger.
„Noch etwas weiter nach links. Ja, du hast es fast geschafft. Noch etwas weiter nach unten …“ In dem Moment kam sie hart auf dem Boden auf, sank gleich in die Knie und ließ sich abrollen. Als sie auf dem Rücken lag, hörte sie den Applaus in der Ferne. Die halbe Familie Rinucci hatte in atemloser Spannung zugeschaut, wirklich wichtig für sie war jedoch nur Francesco. Ich muss zu ihm, schoss es ihr durch den Kopf.
Silvio zog sie hoch und befreite sie von dem Fallschirm und dem Gesichtsschutz. „Deine Leute kommen auf uns zu, sind aber noch ziemlich weit weg“, berichtete er.
„Ist Francesco auch dabei?“
„Ja, er läuft allen voraus. So.“ Er packte sie an den Schultern und drehte sie in die richtige Richtung. „Geh ihm entgegen, vor dir ist alles frei, kein Hindernis weit und breit.“
„Danke.“ Zuerst ging sie langsam und vorsichtig, dann immer schneller, und schließlich lief sie so schnell wie noch nie.
Endlich stellte sich auch das berauschende Glücksgefühl ein, das Gefühl grenzenloser Freiheit, das sie vorhin so sehr vermisst hatte.
„Meinst du das ernst?“, fragte Francesco später.
„Ja, es ist wirklich vorbei, es gibt kein Tauchen und kein Fallschirmspringen mehr“, bekräftigte Celia. Sie lag neben ihm im Bett und schmiegte sich eng an ihn.
„Wenn du dir noch nicht ganz sicher bist, brauchst du es nicht aufzugeben. Ich kann warten, bis du so weit bist.“
„Ich bin so weit, das ist mir heute klar geworden.“
„Wahrscheinlich in dem Moment, als du durch die Luft geschleudert wurdest“, versuchte er zu scherzen.
„Nein, als ich dir entgegengelaufen bin und wir uns in die Arme gesunken sind. Da wusste ich, dass ich nichts anderes mehr brauche.“
Lange schwiegen sie und hielten sich umschlungen. Sie fühlten sich geborgen in ihrer Liebe und Wärme.
Nach einer Weile wagte er zu fragen: „Heißt das, du willst deine verrückten Ideen nicht mehr ausleben?“
„Das wollte ich damit nicht sagen“, erwiderte sie. „Aber es gibt noch andere Möglichkeiten, verrückt zu sein.“
„Wahrscheinlich würde ich glauben, du seiest krank, wenn du plötzlich nur noch vernünftig wärst.“ „Meine Eltern haben auch das Risiko geliebt“, erzählte sie. „Nach meiner Geburt haben sie damit aufgehört. Mein Vater hat sich damit amüsiert, Botschaften an andere Galaxien zu schicken.“ „Hat er Antworten bekommen?“
„Nur unverständliches Zeug. Das kann er dir auf der Hochzeit erzählen.“
Er küsste sie zärtlich. „Womit hat sich deine Mutter ersatzweise beschäftigt?“
„Mit mir. Sie war der Meinung, ich sei verrückt genug für uns beide. Vermutlich wird es mir genauso ergehen.“
„Heißt das, du …?“
„Geduld, mein Lieber.“
Gerade als sie dachte, er sei eingeschlafen, sagte er: „Ich bin froh, dass es so gekommen ist.“ „Dass wir uns gestritten haben?“
„Ja, und dass wir uns getrennt und uns wiedergefunden haben.“
„War es schließlich sogar gut, dass ich dich aufgefordert habe zu verschwinden?“ Mit angehaltenem Atem wartete sie auf seine Antwort.
„Ja, es hat dazu geführt, dass ich mich mit meinen Problemen auseinandersetzen musste. Du hast mir geholfen, die Schatten der Vergangenheit aufzulösen. Außerdem haben wir viel über uns erfahren, was wir sonst nie getan hätten.“
Sie war froh über seine positive Reaktion. „Dann haben wir die Tür aufgestoßen, die in unsere Zukunft führt. Lass uns hindurchgehen, mein Liebling.“
Hopes Leben war sicherlich ereignisreicher und aufregender verlaufen als das anderer Frauen. Sie hatte mehrere Männer geliebt und war von ihnen geliebt worden, und sie hatte sechs Söhne großgezogen. Ihr sehnlichster
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