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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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„Aber ich bitte Sie, sich nicht zu sorgen. Zunächst sind Sie jetzt noch vollständig sicher. Solange diese Flammen noch brennen, wird keiner der Räuber es wagen, das Haus zu betreten.“
    Das wirkte augenblicklich. Sie bat:
    „Bitte, geben Sie mir dort von dem Wasser.“
    Er goß aus einer Karaffe Wasser in ein Glas, zog aus seiner Tasche eine kleine Phiole, ließ einen kleinen Tropfen hineinfallen und reichte ihr das Glas. Ein wunderbar feiner und ebenso wunderbar lieblicher Duft durchzog das Gemach. Sie nahm einen Schluck und fühlte sich augenblicklich gestärkt und erquickt.
    „Was ist das für ein Odeur?“ fragte sie.
    „Der Orientale nennt ihn Nefs et tschisek, das heißt auf deutsch Blumenseele.“
    „Er ist herrlich. Ich danke Ihnen! Aber ich habe nicht an die Seele der Blume, sondern an meine eigene zu denken! Sie wissen wirklich genau, daß man mich überfallen will?“
    „Unzweifelhaft! Ich habe diese Menschen sogar gesehen.“
    „Haben Sie nach Polizei gesandt?“
    „Nein.“
    „Mein Gott, das war doch das allernächste! Bedarf man im Orient in solchen Fällen nicht der Polizei?“
    „In grad einem solchen Fall allerdings nicht.“
    „Sie meinen, daß es meiner Dienerschaft gelingen werde, den Anschlag zu verhüten?“
    „Ja. Sie brauchen nur einen einzigen hinter das Haustor zu stellen. Er vermag mit einem Revolver sie alle abzuwehren.“
    „Gott sei Dank! Ich werde sofort meine Befehle geben.“
    Sie wollte sich schnell erheben; er aber machte eine bittende Handbewegung und sagte:
    „Warten Sie noch, gnädige Baronesse! Ich komme in einer ganz besonderen Absicht zu Ihnen. In dieser Absicht liegt es, die Banditen ungehindert in das Haus und sogar bis in Ihr Schlafzimmer gelangen zu lassen.“
    Sie erschrak von neuem.
    „Mein Gott! Warum denn das?“ fragte sie.
    „Muß ich Ihnen das sofort erklären, oder haben Sie das Vertrauen, mit meiner Erklärung zu warten, bis der Angriff vorüber ist?“ Sie blickte ihm zweifelhaft in das Gesicht.
    „Durchlaucht“, antwortete sie, „ich vertraue Ihnen. Aber Ihr Eintritt bei mir ist ein so rätselhafter, daß – daß –“
    „Nun wohl“, meinte er lächelnd. „So muß ich mich legitimieren. Ich werde Ihnen einen Namen nennen, dessen Klang Sie bewegen wird, sich mir ohne Rückhalt anzuvertrauen.“
    „Welcher Name wäre das?“ fragte sie mit Spannung.
    „Gustav Brandt.“
    Sie fuhr empor. Sie starrte ihn an, als ob sie mit diesem einen Blick nicht nur sein Gesicht, sondern auch seinen Leib und seine Seele durchdringen wolle. Eine tiefe, tiefe Röte bedeckte ihr Gesicht, ihren Hals und ihren Nacken, so stieg ihr das Blut vom Herzen.
    „Gustav Brandt!“ rief sie. „Gott, mein Gott! Dieser Name! Kennen Sie Gustav? Haben Sie ihn gesehen und gesprochen? Wo befindet er sich? Wie geht es ihm?“
    „Ich traf ihn in Indien; wir wurden Freunde.“
    „Freunde! Dank, tausend Dank, Durchlaucht! Er lebt also noch?“ jauchzte sie.
    „Ja. Er ist gesund und wohl.“
    „Als was?“
    „Als Verwalter meiner Besitzungen.“
    „Welch eine Nachricht! Welch eine Freude!“ rief sie, ganz die drohende Gefahr vergessend. „Fast zwanzig Jahre habe ich nichts von ihm vernommen. Hat er von mir gesprochen?“
    „Tausend, nein, Millionen Mal!“
    „Ah, er hat meiner gedacht! Hat er Ihnen erzählt, aus welchem Grund er gezwungen war, die Heimat zu verlassen?“
    „Alles.“
    „Und wie mißtrauisch und bös ich damals gegen ihn war?“
    „Auch das. Es hat einen langen und düsteren Schatten auf sein Flüchtlingsleben geworfen.“
    „Ich habe es schwer, schwer und bitter bereut. Doch, weiter! Wie lebt er? Ist er – ist – ist er – verheiratet?“
    Es wurde ihr schwer, dieses Wort auszusprechen.
    „Ja“, antwortete der Fürst.
    Sie bemerkte nicht, welch scharfen, forschenden Blick er dabei auf sie warf. Sie fuhr sich mit beiden Händen nach dem Herzen, als ob man ihr da einen Dolchstoß versetzt habe. Die Röte wich aus ihren Wangen; ihr Gesicht wurde blaß, fast fahl; sie schien zu wanken. Aber sie mußte sich fassen; sie durfte diesem Fremden nicht merken lassen, welcher fürchterliche Schlag sie in diesem Augenblick getroffen und fast niedergeschmettert habe. Und gerade ihrer Schwäche zum Trotz fragte sie:
    „Hat er Kinder?“
    „Ja, vier liebe Kinder, zwei Jungens und zwei Mädchen.“
    „Welcher Nation ist seine Frau?“
    „Eine Engländerin, Baronesse.“
    „Ich freue mich seines Glücks, vorausgesetzt, daß er glücklich

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