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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gebieterische Haltung zeigte, hielt die eine Hand mit dem Taschentuch kontinuierlich an das Auge. Der Fürst erkannte an der Kleidung in ihm – jenen Menschen, dem er im Kasino einen Faustschlag ins Auge versetzt hatte.
    Näher durfte er sich nicht wagen; er kehrte also zurück. Als er mit dem Diener zusammentraf, legte er dieselben Oberkleider wieder an, welche er heute abend beim Oberst von Hellenbach getragen hatte, wischte sich mit einem Tuch einige Male das Gesicht, legte einen Gegenstand quer über die Stirn herab, den man in der Dunkelheit für eine starke Schnur oder ein schmales Band halten konnte, und fragte dann:
    „Hast du mein Lahialaki mit?“
    Lahialaki ist ein arabisches Wort und bedeutet eigentlich ‚Bartfarbe‘. Die indischen Gaukler und Zauberer aber bezeichnen damit jene fast augenblicklich wirkenden Färbe- und Toilettenmittel, mit denen sie imstande sind, binnen einigen Sekunden sich vollständig zu verändern und völlig unkenntlich zu machen.
    „Hier“, antwortete der Diener.
    Er reichte ihm ein brieftaschenähnliches Etui, welches der Fürst zu sich steckte und fragte dann:
    „Die chemische Laterne.“
    „Ja. Hier! Wo soll ich warten?“
    „Nirgends. Du kannst nach Hause gehen. Ich bedarf deiner voraussichtlich heute nicht mehr.“
    „Aber wenn Ihnen ein Unfall zustößt, gnädiger Herr!“
    „Laß nur mich sorgen! Gute Nacht!“
    Der Diener entfernte sich. Der Graf warf einen Blick nach der Fassade des Hauses empor. Ein einziges Fenster war noch erleuchtet. Er zog die Schlüssel, welche er von dem Gauner erhalten hatte, hervor, wählte nach Gefühl denjenigen, welcher in das Schloß paßte, und probierte leise. Es gelang. Die Tür öffnete sich, ohne das mindeste Geräusch zu verursachen.
    Er trat ein und verschloß dann wieder. Dann zog er seine chemische Laterne hervor. Dieselbe bestand einfach aus einem Kristallfläschchen, in welchem sich eine Mischung von Öl und Phosphor befand. Diese Mischung gibt einen Schein, welcher demjenigen eines kleinen Öllämpchens gleicht. Mit Hilfe desselben fand er die Treppe und stieg empor. Droben an einer Flügeltür, welche jedenfalls den Vorsaal verschloß, stand zu lesen: ‚La Baronesse Alma von Helfenstein‘.
    Auch hier probierte er einen Schlüssel, und es gelang ihm, Eintritt zu finden, ohne Geräusch zu verursachen. Hier strömte ihm jener eigentümliche, undefinierbare Duft entgegen, welcher das Vorhandensein von vornehmen Damen anzuzeigen pflegt.
    Baronesse Alma war zeitig von der Soiree zurückgekehrt. Sie hatte dann einige Zeit einsam in ihrem Boudoir gesessen, um über den heutigen Abend nachzudenken. Sie war gewöhnt, sich öfters ohne Hilfe ihres Mädchens zu entkleiden, und so hatte die Zofe die Erlaubnis erhalten, sich zurückziehen zu dürfen. Die Herrin wollte träumen.
    Sie dachte an Fanny von Hellenbach, welche ihr so lieb und sympathisch war, ferner an – an, nun ja, an diesen rätselhaften Fremdling, den Fürsten von Befour. Was an ihm war es doch nur, was ihr Herz hatte lauter klopfen lassen, sooft ihre Augen sich auf ihn richteten? War es sein Auge, seine Stimme, sein Gang oder was sonst? Sie wußte es selbst nicht, aber sie fühlte, daß dieser Mann einen Eindruck auf sie gemacht hatte, von welchem sie sich selbst keine Rechnung abzulegen vermochte.
    So saß sie da, nicht in geordnete Gedanken versunken, sondern halb sinnend und halb träumend, bis ihr Blick auf die Uhr fiel. Es fehlten nur noch wenige Minuten an Mitternacht.
    Sie erhob sich, um Schlaftoilette zu machen. Sie legte ihr jetziges Gewand ab und ein dünnes, blütenweißes Negligé an. Dann löste sie ihr herrliches blondes Haar auf, um es unter ein Häubchen zu bringen. Indem sie mit dem silbernen Kamm durch die langen, reichen Wogen strich, erinnerte sie an jene feenhafte Lorelei, welche ein junger Maler fertigte, um dann, in den Anblick seines Bildes versunken, infolge der Schönheit desselben wahnsinnig zu werden.
    Alma war eigentlich nicht älter geworden, obgleich gegen zwanzig Jahre zwischen jetzt und früher lagen. Sie gehörte zu denjenigen Damen, welche der Zeit bis in das späteste Alter Widerstand leisten. Ihre Taille war ein ganz, ganz klein wenig stärker, ihre Figur vollkommener geworden, aber trotz ihrer achtunddreißig Jahre hätte man sie noch gut für in den Zwanzigern stehend halten können.
    Ihr Gesicht mit dem kindlich frommen Ausdruck hatte einen Zug von Schwermut angenommen, welcher nur anziehen konnte. Ihre Stirn war ohne

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