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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Alma, als sie fertig war. „Man wird mich jetzt wohl nicht bedürfen.“
    Sie ging, und das Auge der Zofe folgte ihr, bis sie durch das Tor geschritten war.
    „Da ist sie fort, die Braut Hellenbachs, die Schöne, die Unvergleichliche!“ murmelte sie. „Sie sah nicht sehr glücklich aus! Und da das Album aufgeschlagen! Ah, das Bildnis Brandts! Sie hat ihn mit Hellenbach verglichen; sie liebt ihn!“
    Die dunklen Augen der Zofe leuchteten in einem tückischen Licht.
    „Und da“, fuhr sie fort, „ein Brief! Sie hat vergessen, ihn einzuschließen. Von wem mag er wohl sein?“
    Sie nahm das Papier, öffnete es und las:
    „Meine lieben Eltern!
    Ihr wißt genau, in welcher Weise bei Euch da oben an der Grenze die Wilderei und Pascherei betrieben wird. Die Schmuggler ziehen in förmlichen bewaffneten Karawanen herüber und hinüber und liefern den Grenzern geradezu Gefechte. Man vermutet, daß sie eine feste Organisation und ein wirkliches Oberhaupt besitzen. Eine Eingabe des Herrn Barons von Helfenstein, in welcher er um außerordentliche Hilfe bittet, hat der Behörde vollends die Augen geöffnet. Man wird Militär detachieren und hat außerdem beschlossen, einen gewandten Polizeibeamten zu senden, der die heimliche Aufgabe zu lösen hat, den Verbrechern das Handwerk zu legen. Und denkt Euch mein Entzücken: Die Wahl ist auf mich gefallen. Ich habe schleunigst abzureisen und sende Euch kurz vor dem Einpacken diese Zeilen, um Euch von meiner Ankunft zu benachrichtigen. Wenn Ihr sie erhaltet, bin ich bereits unterwegs. In herzlicher Liebe Euer glücklicher
    Gustav.“
    Die Zofe legte den Brief zusammen und dann wieder an seine vorige Stelle. Es blitzte wie Schadenfreude über ihr Gesicht.
    „Wie gut, daß dieser Brief in meine Hände fiel!“ flüsterte sie. „Ich muß meinen Bruder warnen. Dann mag Brandt sehen, ob er einen Pascher fängt!“
    Jetzt fiel ihr Auge auf die neue Robe, welche Alma wieder abgelegt hatte.
    „Welch ein herrliches Kleid!“ sagte sie zu sich selbst. „Warum bin nicht ich als die Tochter eines reichen Freiherrn geboren! Welch eine Figur würde ich in diesem Kleid geben! Oder bin ich etwa weniger hübsch als diese Alma? Noch gestern erst sagte der Cousin, daß ich nicht nur hübscher, sondern sogar viel, viel schöner sei als sie. Sie ist nach dem Tannenstein, und vor zwei Stunden kann sie nicht zurück sein. Wie wäre es, wenn ich einmal anprobierte? Ich muß sehen, ob ich es verstehen würde, mich in einer solchen Toilette zu bewegen.“
    Sie war eine volle, hohe Brünette von nicht viel über zwanzig Jahren. Sie hatte sehr recht, sich für eine Schönheit zu halten. Ihr dunkelwelliges Haar, ihr feurigen Augen, ihr etwas scharf gebogenes Näschen, der ein wenig breite, kräftig gezeichnete Mund, das alles harmonierte mit der Energie, welche sich in ihren Bewegungen aussprach. Dieses Mädchen mußte einen festen Willen besitzen.
    Der so schnell gefaßte Entschluß wurde schleunigst ausgeführt. Sie legte das einfache schwarze Kleid, welches sie trug, ab und griff dann zur Seidenrobe. Dabei fiel ihr Blick in den hohen Pfeilerspiegel. Sie blieb unwillkürlich mit ausgestrecktem Arme stehen. Ihr Auge leuchtete auf, und um ihre Lippen spielte ein stolzes, selbstgefälliges Lächeln. Sie warf den Kopf wie herausfordernd zurück und sagte:
    „Das, ja, das ist die richtige Stellung, um beurteilen zu können, ob ich häßlich bin! Ich bin schön, schöner als tausend andere! Dieser kleine und doch kräftige Fuß, dieses volle Bein, die Rundung der Hüften, diese Büste, dieser Arm! Wahrhaftig, ich kann unmöglich wünschen, schöner zu sein! Und wozu und für wen besitze ich diese Schönheit! Um die Frau irgendeines Kochs, Kammerdieners oder Leibjägers zu werden? Kann ein solcher Mensch beurteilen, welchen Schatz er in mir besitzt?“
    Sie schüttelte trotzig den Kopf und zog die Brauen zusammen.
    „Wer von der Natur so bevorzugt worden ist wie ich, der muß mit seinen Vorzügen zu rechnen verstehen. Dieser Herr Cousin Franz von Helfenstein ist so dumm, zu glauben, daß er seine reiche Cousine bekommen werde! Er sollte mich sehen, so wie ich hier stehe! Und dann erst im Seidenkleid! Ziehen wir es also einmal an!“
    Das Kleid schmiegte sich ganz vortrefflich um die vollen Formen der Zofe. Die Taille war tief ausgeschnitten; sie schloß auf den Achseln in Spitzenbouquets, ohne in Ärmel überzugehen. Nun zog das Mädchen die Nadeln aus ihrem Haar, so daß dasselbe reich und schwer über ihren

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