600 Stunden aus Edwards Leben
Blätter aufzufegen«, sagt er.
Er zeigt mir auch die Druckerpresse und das neue Packzentrum, in dem die Zeitung mit Prospekten und anderen Beilagen bestückt wird, wie etwa die Sonderbeilage
Parade
in der Sonntagsausgabe.Mr Withers erklärt, dass die Druckerpresse die meiste Zeit in Betrieb ist – nicht nur für die tägliche Zeitung, sondern auch für Prospekte und Publikationen anderer Verlage aus der Region. Das Packzentrum ist riesig und in einem Anbau untergebracht, der erst im letzten Jahr errichtet wurde.
»Es ist ziemlich aufregend hier«, sagt Mr Withers.
Es sieht aus, als könnte man hier gut arbeiten.
Auf dem Weg zurück nach oben erzählt Mr Withers, er könne mir am Anfang etwa zwölf Dollar pro Stunde geben, und das klingt gut für mich. Es ist mehr, als ich je verdient habe, abgesehen von den fünf Millionen, die mein Vater mir gegeben hat.
Als er wieder hinter seinem Schreibtisch sitzt, fragt Mr Withers: »Wie sieht’s aus, mein Junge, willst du hier für mich arbeiten?«
Ich antworte ohne zu zögern: »Ja.«
»Ausgezeichnet.«
»Wann soll ich anfangen?«
»Komm am Montagnachmittag um vier, Edward. Wir füllen dann deine Papiere aus, ich zeige dir, was du tun wirst, und du startest gleich durch. Wie klingt das?«
»Gut.«
»Na, prima.« Er steht auf und klopft mir wieder auf die Schulter. »Ich bringe dich nach unten.«
Wenige Minuten später sitze ich wieder hinter dem Steuer des Cadillac. In meinem Traum hat mein Vater gesagt, das Auto werde mich überall hinbringen, wohin ich möchte. Dass ich hier landen würde, hätte ich nie erwartet.
Ich fahre den Cadillac das kurze Stück nach Hause, und mir schwirrt der Kopf. Nie hätte ich gedacht, dass ich wieder eine Arbeit haben würde, aber ich vertraue darauf, dass Mr Withers sich gut ummich kümmert. Die Arbeitszeit, die er genannt hat, wird wohl zu einigen Änderungen in meinem Zeitplan führen. Ich werde meinen 22:00-Uhr-Termin für
Polizeibericht
verschieben müssen. Vielleicht kann ich es sehen, wenn ich nachts nach Hause komme. Das bedeutet, dass ich nicht mehr um Punkt Mitternacht ins Bett gehen werde. Dadurch wird sich vermutlich meine häufigste Aufwachzeit von 7:38 Uhr ändern. Wenn ich nach der Arbeit noch
Polizeibericht
sehen werde, kann ich frühestens um 1:00 Uhr nachts im Bett liegen.
Mein 10:00-Uhr-Termin mit Dr. Buckley ist jedoch sicher. In nur wenigen Tagen werde ich ihr viel zu erzählen haben.
Und in den Supermarkt kann ich gehen, wann immer es nötig ist. Das bleibt von meiner neuen Arbeit unbehelligt.
Gestern stand im
Billings Herald-Gleaner
, der neue Präsident Barack Obama habe gesagt, dass »ein Wandel ansteht«. Ich frage mich, woher er das wusste.
Zu Hause hole ich gerade meine Post aus dem Briefkasten – alles Werbesendungen –, als ich einen Briefumschlag entdecke, der an meine Tür geklebt ist. »Edward« steht darauf, aber es sind nicht die akkuraten Blockbuchstaben meines Vaters. Stattdessen ist es eine hübsch verschnörkelte Schrift. Wer auch immer das geschrieben hat, hatte in der Schule in Handschrift vermutlich eine gute Note.
Ich lege die Post auf die Veranda und reiße den Umschlag auf. Darin ist ein Blatt aus einem linierten Schreibblock, wie ich ihn früher in der Schule hatte.
Lieber Edward,
dies ist ein Beschwerdebrief. Der Unterschied zwischen Ihren und meinen Beschwerdebriefen ist allerdings, dass meine abgeschickt werden.
Sie waren mir in letzter Zeit kein guter Freund, und ich möchte, dass Sie das wissen. Sie sind einfach weggegangen, alsich Ihnen sagte, wie leid mir das mit Ihrem Vater tut, und Sie haben mich und Kyle angeschrien, als wir nichts weiter von Ihnen wollten, als dass Sie rauskommen und unser Freund sind. Freunde tun das nicht, Edward. Freunde reden miteinander, und Freunde versuchen, nicht unhöflich zu sein, auch wenn sie keine Lust haben, nach draußen zu kommen. Wenn Sie mein Freund sind, können Sie mir sagen, dass Sie etwas nicht tun wollen, und ich werde es verstehen. Das tun Freunde. Wenn ich Ihre Freundin bin, werde ich es Ihnen auch sagen, wenn ich etwas nicht will.
Ich habe mit mir gerungen, ob ich diesen Brief schreiben soll. Unser Leben war in letzter Zeit recht schwierig, und ich will keine Zeit mit jemandem verschwenden, der mir kein guter Freund ist. Ihre Leistungsbilanz als mein Freund ist recht unklar. Ich versuche herauszufinden, ob Sie der Edward sind, der mit einem kleinen Jungen streitet, oder der Edward, der mir an jenem Tag im
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