Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
empfinden für diesen Fall ein so lebhaftes Interesse, daß wir wünschen, die Entwicklung möge eine möglichst eilige sein.“
    „Auch ich stimme bei. Ist Bertram wirklich unschuldig, so kann es nur mein Wunsch sein, mich baldigst davon zu überzeugen.“
    Er klingelte und ließ Frau Bormann vorführen.
    „Diese Dame“, sagte er, auf Fanny deutend, „hat mich von Ihrem Wunsch, mit Ihrem Mann zu sprechen, unterrichtet. Ich habe Ihnen denselben wiederholt abgeschlagen, bin aber jetzt auf die Befürwortung hin bereit, ihn zu erfüllen. Aber Ihr Mann ist Untersuchungsgefangener. Eigentlich sollte ich bei der Unterredung gegenwärtig sein; da ich aber glaube, daß meine Gegenwart die Entwicklung besserer Gefühle verhindern würde, so sollen Sie allein mit ihm sein; doch stelle ich natürlich meine Bedingungen.“
    „Sagen Sie mir, was ich zu tun habe, Herr Assessor!“ bat die Frau.
    „Sie gehen nicht auf einen Fluchtversuch ein?“
    „Mein Gott, das kann mir gar nicht einfallen!“
    „Sie nehmen auch keinen Auftrag von ihm an, welcher der Untersuchung schädlich sein würde!“
    „Nein.“
    „Sie suchen ihn nicht auszuforschen. Das würde sein Mißtrauen hervorrufe, wie ich ihn kenne.“
    „Herr Assessor, ich kenne ihn noch genauer. Ich werde ihn nur nach häuslichen Angelegenheiten fragen. Erst dann, wenn ich sehe, daß er nicht bei ganz schlimmer Meinung ist, werde ich ihn bitten, sich seine Lage nicht durch Starrsinn zu verschlimmern.“
    „So werden Sie richtig handeln. Ich wünsche besonders, daß er in betreff Bertrams die Wahrheit sagen möge. Suchen Sie darauf hinzuwirken, wenn dies ohne Gefahr möglich ist!“
    Jetzt führte er sie selbst nach derjenigen Abteilung des Gerichtsgebäudes, in welcher die Gefangenen untergebracht waren, und gab dem Gefängnismeister seine Instruktion. Nachdem die Ausgänge besetzt worden waren, führte ein Schließer die Frau nach der betreffenden Zelle, schloß dieselbe auf und zog sich dann zurück.
    Bormann lag lang ausgestreckt auf der bloßen Diele. Er atmete schwer und schien es gar nicht bemerkt zu haben, daß die Tür geöffnet worden war. Seiner Frau wurde es ganz unbeschreiblich wehe zu Mute. Durch das Fenster fiel nicht übermäßig Licht herein, aber es reichte doch zu, sie alles erkennen zu lassen. Sie kämpfte die Tränen, welche aus ihren Augen brechen wollten, mutig nieder.
    „Wilhelm!“ sagte sie.
    Er regte sich nicht.
    „Wilhelm!“
    Er öffnete die Augen, regte sich aber nicht.
    „Wilhelm! Ich bin es! Ich bin da!“
    Sie trat ein. Da endlich richtete er sich auf, aber langsam und zögernd, als ob er sich im Traum befinde.
    „Wer kommt? Wer?“ fragte er in rauhem Ton und indem seine Augen sich gläsern auf sie richteten.
    „Ich! Kennst du mich nicht?“
    Ihr wurde es bei diesem Benehmen ganz angst und bange. Sie trat vorsichtig wieder bis an die Tür zurück.
    „Dich kennen?“ fragte er. „Dich – dich – dich? Ah, ich sehe dich von weitem! Ich höre deine Stimme aus der Ferne, aber ich denke doch, daß du es bist, mein Weib, meine Frau!“
    Er starrte ihr mit weit offenen Augen entgegen. Das Gift, welches er von seinem Bruder erhalten hatte, war bereits in Wirkung getreten. Er sah und hörte alles nur wie aus der Ferne und wie durch einen Nebel.
    Jetzt erst, als er hoch erhoben dastand, erkannte der Knabe seinen Vater. Er streckte ihm die Ärmchen entgegen und rief:
    „Papa! Papa!“
    Da war es, als ob der Gefangene elektrisiert worden sei. Er tat einen Satz in die Luft und schrie:
    „Der Junge! Donnerwetter! Ist der Junge da?“
    „Papa! Papa!“
    Noch einmal lauschte er wie ein wildes Tier, welches sein Junges schreien hört, dann sprang er nach der Ecke, in welcher der gefüllte Wasserkrug stand, und goß sich den ganzen Inhalt desselben über den Kopf.
    „Ach, endlich! Endlich kann ich sehen!“ sagte er dann. „Weib, du hier! Und der Junge mit! Das vergelte euch Gott!“
    Er schlang beide Arme um Weib und Kind und drückte sie an sich. Die Frau weinte laut vor Freude und Jammer.
    „Wilhelm“, sagte sie, „bist du krank?“
    „Krank? Ja, ja! Hölle und Teufel, mit mir wird es wohl nun aus sein!“
    „Warum? Warum? Was fehlt dir denn?“
    „Mein Bruder war da, in der Nacht, draußen auf der Leiter, mit dem Hauptmann. Er gab mir Schnaps zu trinken. Seit diesem Augenblick habe ich ein Feuer in mir. Die Augen vergehen mir, und das Gehör wird schwach. Hat man mir Gift gegeben?“
    Sie erschrak.
    „Das wird doch dein Bruder

Weitere Kostenlose Bücher