61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
nicht tun“, sagte sie.
„Ich denke auch nicht.“
„Oder der Hauptmann?“
„Auch nicht. Er hat mich ja retten wollen. Er braucht mich. Aber woher dieses Feuer in mir, welches mir den Verstand nehmen will?“
„Nur von dem Branntwein vielleicht.“
„Möglich! Bei dieser Gefängniskost wird man so kraftlos, daß man keinen Tropfen Spiritus mehr vertragen kann. Aber, warum bist du nicht eher einmal gekommen?“
„Ich durfte nicht. Untersuchungsgefangene dürfen mit ihren Angehörigen nicht sprechen.“
„Aber warum darfst du heute?“
„Das habe ich dem gütigen Fräulein von Hellenbach zu danken.“
„Von Hel – Hel – wie war der Name?“ fragte er.
„Hellenbach.“
„Meinst du die Tochter des Obersten?“
„Ja.“
„Bei der ich eingebrochen bin?“
„Ja.“
„Bist du verrückt! Diese soll dir die Erlaubnis ausgewirkt haben?“
„Ja, diese und keine andere.“
Er griff sich an den Kopf, als ob er den Gedanken nicht zu fassen vermöge.
„Was hat sie für einen Zweck dabei?“ fragte er.
„Keinen. Sie tat es aus Mitleid.“
„Aus Mitleid? Oh, das glaube ich nicht! Traue diesem reichen, vornehmen Volk nicht! Du bist dumm! Sie wollen dich fangen oder vielmehr mich durch dich!“
„Nein, nein! Sie hat es ehrlich gemeint!“
„Das zu glauben, wäre Wahnsinn! Paß auf! Da hinter der Türe steht man, um zu hören, was wir sprechen.“
„Nein. Kein Mensch ist da.“
„Keiner! Das wäre ein Wunder!“
Er trat hinaus, um sich zu überzeugen. Er kannte die Hausordnung und die Gebräuche der Untersuchung. Er war ganz erstaunt, als er bemerkte, daß sie die Wahrheit gesagt habe.
„Daraus werde ich nicht klug“, meinte er. „Oder sollte es eine Falle sein? Die Hellenbach! Weib, solltest du dich hergegeben haben, mich zu betrügen?“
Er trat zurück und ballte drohend die Fäuste.
„Was denkst du von mir? Ich habe mein Wort geben müssen, nichts Verbotenes mit dir zu besprechen. Dieses Wort werde ich halten, und so hat man mich zu dir gelassen.“
„Das ist dein Glück! Ich hätte dich mit dieser meiner Faust niedergeschlagen, wenn ich bemerkt hätte, daß du an mir zur Verräterin werden wolltest!“
„Was könnte ich den verraten? Ich weiß ja nichts!“
„Das ist wahr. Also, setz dich zu mir her auf die Pritsche und gib mir den Jungen. Unterdessen kannst du mir sagen, was du mir mitzuteilen hast.“
Er nahm den Knaben aus ihren Armen, und sie setzten sich nebeneinander. Sie wußte, daß er Tränen nicht leiden könne, darum beherrschte sie sich, obgleich ihre Lage eine wirklich traurige war. So besprachen sie alles, was in Beziehung auf Familie und Wirtschaft zu besprechen war. Sie bemerkte dabei, daß er sich Mühe geben mußte, ihr mit seinen Gedanken zu folgen.
„Welche Strafe denkst du wohl, daß ich bekommen werde?“ fragte er später.
„Mein Gott! Es ist schrecklich! Man spricht von über zwanzig Jahren Zuchthaus. Wie oft habe ich dich –“
„Still! Ruhig!“ unterbrach er sie. „Kein Jammer! Es ist so, und es kann durch Wehklagen nicht anders werden! Was wirst du während dieser langen Zeit tun?“
„Was soll ich tun? Arbeiten!“
„Arbeiten? Pah! Heiraten wirst du! Einen anderen nehmen!“
„Das kommt mir nicht in den Sinn!“
„Oh, euch Weiber kennt man nur zu gut! Oder weißt du etwa nicht, daß eine solche Zuchthausstrafe Scheidegrund ist?“
„Ich weiß das allerdings.“
„Nun also! Du wirst dich scheiden lassen. Und mein Junge da, mein Herzensjunge, der –“
Er hielt inne. Seine Augen funkelten wie diejenigen einer Tigerin, der man ihr Junges nehmen will. Seine Frau reichte ihm die Hand entgegen und sagte:
„Wilhelm, du hast großes Herzeleid über mich gebracht; aber ich bin deine Frau und die Mutter deines Kindes; ich habe dich trotz alledem noch lieb, und ich werde auf dich warten.“
Er sah sie ungläubig an.
„Warten willst du?“ fragte er. „Eine so lange, lange Zeit?“
„Gott wird mich stärken! Hier meine Hand! Ich schwöre dir, daß ich dir treu bleiben werde! Dein Kind soll keinen anderen Vater haben. Darauf kannst du dich verlassen!“
Es war, als ob man ihm etwas ganz Unglaubliches und wunderbares gesagt habe. Aber er kannte sie; er hörte den Ton ihrer Stimme, und es war ihm unmöglich, zu zweifeln.
„Weib! Auguste! Gustel!“ rief er, indem er den Arm um sie schlang und sie an sich zog. „Ist das wahr? Ist das wirklich wahr?“
„Ja, ich schwöre es dir!“
„Das bin ich nicht wert! Weiß
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