61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
Gott, das bin ich nicht wert! Gustel, so eine Frau habe ich nicht verdient! Aber um des Jungen willen, laß dich nicht von mir scheiden! Nicht?“
„Nein!“
Sie hielten sich umschlungen.
„Papa! Papa!“ jauchzte der Kleine, der seinen Hunger ganz und gar vergessen hatte.
In den Augen des Riesen standen Tränen. Es war eine Stimmung über ihn gekommen, wie er sie kaum in seinen Kinderjahren an sich bemerkt hatte.
„Und dann, Gustel, noch eins!“ sagte er. „Wenn der Junge heranwächst und verständiger wird, dann wird er nach seinem Vater fragen. Was wirst du ihm antworten?“
„Daß du in Amerika bist.“
„Nicht im Zuchthaus?“
„Nein. Er soll seinen Vater lieben und achten können.“
„Herrgott, was habe ich für eine gute, gute Frau! Und was für ein schlechter Kerl bin ich gewesen! Aber das soll nun anders sein! Ich werde in dem Zucht – na, in dem Haus arbeiten, daß mir das Bast von den Fingern fällt. Ich werde mir Geld verdienen und eine gute Zensur. Und wenn dann die Jahre, die langen, die ewig langen Jahre vorüber sind, und ich komme nach Hause, dann, dann – Donnerwetter, dieses Glück könnte ich schon längst gehabt haben, wenn ich klüger gewesen, klüger und besser und nicht in die Hände dieses Hauptmanns gefallen wäre! Verdammt sei er in alle Ewigkeit!“
Sie legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm.
„Sei ruhig, Wilhelm!“ sagte sie. „Du wirst nicht so lange gefangen sein!“
„Ah, denkst du, daß ich weniger bekomme?“
„Das weiß ich nicht; aber du wirst ein Gnadengesuch machen.“
„Das wird mir verdammt wenig helfen!“
„O doch! Und vielleicht, wenn du jetzt bereits ein wenig einsichtsvoll sein wolltest, würde man dir die Strafe nicht gar so hoch zumessen!“
„Einsichtsvoll? Inwiefern denn?“
„Man hält dich für einen ganz und gar gottlosen Menschen, weil du Unschuldige mit ins Elend bringst. Gerade deshalb wird man zur schärfsten Strafe greifen.“
„Unschuldige? Wen meinst du denn?“
„Nun, diesen Bertram.“
„Hält man ihn denn für unschuldig?“
„Alle Welt sagt, daß er unschuldig sei.“
„Aber wie kommt er denn in meiner Gesellschaft in das Zimmer der Baronesse?“
„Er hat dich bemerkt und ist dir nachgestiegen, um das gnädige Fräulein zu retten!“
„Hm! Das hat man sich gut ausgesonnen! Gar nicht so übel!“
Das sollte Ironie oder gar Hohn sein; aber es wollte ihm doch nicht gelingen, den richtigen Ton zu treffen.
„Willst du spotten?“ fragte sie. „Man sagt, daß du nur aus Rache angegeben hast, daß er dein Mitschuldiger sei! Du willst ihn mit in das Verderben ziehen. Das zeichnet dich als ganz und gar schlechten und gottlosen Menschen. Darum wird man dir die höchste Strafe geben, und dort in – na, in jenem Haus wirst du dann wohl recht sehr schlimm behandelt werden.“
„Hm!“ meinte er nachdenklich. „Mein Kopf wird mir ganz schwach; aber es ist mir so, als ob du recht haben könntest. Hält der Assessor den Bertram auch für unschuldig?“
„Ja.“
„Und die Baronesse?“
„Auch.“
„Was kann denn die wissen! Überhaupt darfst du ihr nicht trauen!“
„Nicht trauen? Wilhelm, ich habe gehungert, und auch das Kind hat kaum genug zu essen gehabt –“
„Was? Wie?“ brauste er auf. „Das Kind nicht genug zu essen? Hast du denn nicht gearbeitet?“
„Ich hatte keine Arbeit. Wo ich früher plättete, lohnte man mich ab, und wo ich sonst hinkam, wollte man von der Frau des Riesen nichts wissen. Stehlen wollte ich nicht. Ich gab dem Kind gerade die letzte Rinde, als die Baronesse kam. Weißt du, was sie tat?“
„Nein.“
„Sie schenkte mir zehn Gulden.“
„Donnerwetter! Für die schlage ich zehn Kerle tot!“
„Sie versprach mir Arbeit, und dann nahm sie mich mit in ihre Equipage – denk dir nur, sie schämte sich nicht! – und kaufte dem Kleinen den Anzug hier, damit er nicht frieren sollte.“
Erst jetzt bemerkte der Riese den Anzug. Er betrachtete sich denselben und sagte dann:
„Das hat sie getan? Aus freien Stücken?“
„Ja. Sie will auch weiter für das Kind sorgen.“
Da nahm er seine Frau bei der Hand und sagte:
„Gustel, es ist wahr, es gibt noch gute Menschen, und darum ist es auch möglich, daß es einen Gott im Himmel gibt. Mein Junge soll nicht hören müssen, daß sein Vater ein gottloser, unverbesserlicher Bösewicht ist. Ich werde den Leuten beweisen, daß es nicht so schlimm mit mir steht, wie sie denken.“
„Wolltest du das? Wirklich,
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