61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
blickte ihm entgegen.
„Wie schön Sie sind, liebes Engelchen!“ sagte er, indem er ihre Hand ergriff und an sein Herz drückte.
Sie erglühte noch mehr, antwortete nicht, gab sich aber alle Mühe, ihm ihre Hand zu entziehen.
„Nein, nein, lassen Sie mir dieses reizende, kleine Händchen! Ich wollte, es wäre mein Eigentum! Sie sagten mir vorhin, daß Sie keinen Verlobten hätten. Ist das wirklich wahr?“
„Ja.“
„Auch keinen Geliebten?“
„Auch nicht.“
„So ist also Ihr Herzchen völlig frei?“
Sie blickte zur Seite und antwortete erst nach einem Weilchen:
„Ja.“
„Aber ich habe doch von anderen gehört, daß es einen gebe, den Sie liebhaben, liebes Engelchen!“
„Wer sollte das sein?“
„Der junge Hauser. Hat man mir da falsch berichtet?“
„Sehr falsch!“
„Das freut mich mehr, als Sie denken können! Ich habe Sie schon seit langem beobachtet. Ich habe gesehen, wie schön, wie lieb, wie reizend Sie sind. Ich habe gewünscht, einmal mit Ihnen allein sein zu können. Und nun heute ist dieser Wunsch in Erfüllung gegangen. Ich fühle mich so glücklich wie noch nie in meinem ganzen Leben!“
Er wollte den Arm um sie legen; aber es gelang ihr doch, sich ihm zu entziehen.
„Sie scherzen nur mit mir!“ antwortete sie.
„Ich scherzen? In diesem Augenblick ist es mir ganz und gar nicht wie Scherz. Ich fühle, wie lieb, wie unendlich lieb ich Sie habe; Sie sind es wert, Frau eines reichen, gebildeten Mannes zu sein, und wenn ich wüßte, daß Sie meine Liebe erwidern könnten, so würde ich den heutigen Abend segnen!“
Er wollte sie näher an sich heranziehen; sie jedoch entzog ihm ihre Hand und antwortete:
„Wer sind Sie? Ich kenne Sie nicht!“
„Soll ich die Maske abnehmen, Engelchen?“
„Ich bitte darum. Ich muß doch wissen, bei wem ich mich befinde.“
„Nun, da; sehen Sie!“
Er nahm die seidene Maske ab; sie erblickte sein Gesicht und – erbleichte. Doch bereits im nächsten Augenblick kehrte das Blut verräterisch in ihre Wangen zurück.
„Herr Seidelmann!“ rief sie überrascht.
„Pst, Kind! Nicht so laut! Man soll uns doch nicht hören! Sind Sie erschreckt, mich hier zu sehen?“
„Nein. Aber bitte, lassen Sie uns gehen!“
„Wohin? Nach dem Saal?“
„Nein. Ich muß nach Hause.“
Sie erhob sich und wollte den Tisch von sich schieben, um vom Sofa fort zu können. Er aber erfaßte sie, zog sie sanft wieder neben sich nieder und sagte in bittendem Ton:
„Bleiben Sie! Bleiben Sie wenigstens noch einige Augenblicke, bis Sie alles gehört haben, was ich Ihnen sagen muß. Seien Sie einmal aufrichtig! Fürchten Sie sich vor mir?“
Sie blickte ihm fest in das Gesicht und antwortete:
„Nein.“
„Nun, warum wollen Sie da fliehen?“
„Weil ich nicht zu Ihnen gehöre.“
„Das bestreite ich. Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, daß ich Sie liebe. Gehören Leute, welche sich lieben, nicht zueinander?“
„Daß Sie mich lieben, sagen Sie; aber ich glaube es nicht!“
„Soll ich es Ihnen beweisen?“
Sie war ernst geworden. Hatte der Champagner wirklich eine Wirkung auf sie hervorgebracht, so war dieselbe jetzt verschwunden. Sie sah das trotz seiner Jugend bereits ziemlich abgelebte Gesicht des Kaufmanns hart neben dem ihrigen; sie sah seine Augen mit unkeuschem, gierigem Ausdruck auf sich gerichtet, und da nun, diese Blicke erst brachten sie zu der Erkenntnis, daß die Warnung Eduards guten Grund gehabt hatte. Noch nie, nie in ihrem Leben hatte sie sich so entblößt getragen!
Sie schämte sich jetzt vor sich selbst. Eine tiefe Glut bedeckte ihr Gesicht und lief bis zum Nacken hin.
„Bitte, antworten Sie!“ sagte er.
„Herr Seidelmann, lassen Sie mich fort! Ich wiederhole, daß ich nicht zu Ihnen gehöre.“
Er glaubte, sie sage dies in Rücksicht auf ihre Armut und seinen Reichtum. Er deutete ihr Erröten zu seinem Gunsten. Darum ergriff er ihre beiden Hände und hielt sie fest.
„Engelchen, Sie haben unrecht! Ich liebe Sie von ganzem, aufrichtigem Herzen! Wollen Sie meine Frau werden?“
Sie schüttelte langsam den Kopf und antwortete:
„Ihre Frau? Die kann ich niemals sein!“
„Warum nicht?“
„Sie sind reich!“
„Aber ohne Sie würde ich mich dennoch arm fühlen. Ich werde Ihnen beweisen, wie lieb ich Sie habe. Hat Ihnen Ihr Vater nicht gesagt, worüber ich heute mit ihm gesprochen habe?“
„Nein.“
„Ich habe zwar nicht von meiner Liebe gesprochen, aber ich habe eine Verabredung mit ihm getroffen, welche
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