61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
ahnen, daß ich es bin, der Sie eingeladen hat?“
„Ja“, nickte sie.
„Sind Sie gern gekommen?“
„Sehr gern!“
„Ihre Eltern haben es erlaubt?“
„Sonst hätte ich ja nicht wagen können, zu kommen!“
„Aber Ihr Bräutigam, Ihr Geliebter?“
Ihr Köpfchen senkte sich. Sie zögerte, zu antworten. Darum wiederholte ihr Tänzer in dringlichem Tone:
„Was sagte er?“
„Ich habe keinen!“ antwortete sie jetzt.
„Keinen Bräutigam und auch keinen Geliebten?“
„Nein.“
„Wie herrlich! Da engagiere ich Sie für den ganzen Abend! Darf ich das? Sind Sie damit einverstanden, Fräulein Hofmann?“
Fräulein Hofmann! Wie vornehm das klang! Welch eine prächtige Maske er trug, und die Ringe an seinen Fingern funkelten! Konnte sie anders antworten, als:
„Gern! Sie sind es, der mich eingeladen hat!“
„So kommen Sie!“
Wieder ging es zum Tanz, und dann führte er sie an einen Tisch, an welchem Wein und andere Erfrischungen zu haben waren. Sie mußte trinken und von Delikatessen kosten, deren Namen sie nicht kannte, ja, die sie in ihrem Leben noch nicht gesehen hatte.
Dann wurde sie in die Unterhaltung gezogen. Männliche und weibliche Masken kamen, um sie zu necken oder auch ein paar ernste Worte zu sagen. Diese vornehmen Damen und Herren hatten zwar alle ihre Gesichter verhüllt, aber sie waren so freundlich, so lustig, so zutraulich! Oh, wer doch auch so reich und so vornehm sein und immer an solchen Vergnügungen teilnehmen könnte!
Wer aber war ihr Tänzer? Sie vermochte nicht, dies zu erraten; aber sie bemerkte, daß er bei den anderen in Ansehen stand und daß er oft um Rat oder gar um Genehmigung gefragt wurde. Er mußte also in dem Verein Kasino etwas zu bedeuten haben.
Jetzt saß sie an seiner Seite, und er hielt ihre Hand in der seinigen. Am Eingang lehnte eine Maske, welche die Augen nicht von den beiden ließ. Seidelmann hatte sie noch nicht bemerkt; jetzt aber fiel sein Blick zufällig nach jener Richtung, und da erhob er sich schnell.
„Ah, endlich!“ sagte er. „Ich glaubte schon, daß er gar nicht nachkommen werde.“
„Wer?“ fragte Engelchen.
„Der dort an der Tür.“
„Wer ist es?“
„Ein Freund von mir. Als er abgeholt werden sollte, hatte er erklärt, daß er noch nicht könne, aber bald folgen werde.“
Er schritt über den Saal hinweg, auf die Maske zu, gab ihr die Hand und sagte:
„Willkommen! Ich verzichtete schon darauf, dich zu sehen. Aber mit welcher Gelegenheit bist du gekommen?“
Er glaubte natürlich, den jungen Kaufmann Strauch vor sich zu haben, und ahnte nicht, daß es der sei, dem er in letzter Zeit so feindselig gegenübergetreten war. Eduard bemerkte aus diesen Worten, daß Seidelmann gewußt habe, welche Maske Strauch tragen werde. Er sah ein, daß es am besten sei, so ungeniert wie möglich aufzutreten; darum antwortete er frischweg:
„Es paßte gerade, daß ich mit einem hiesigen Geschirr fortkommen konnte, sonst hätte ich mich wohl in Verlegenheit befunden. Auf dem Rückweg wird es wohl ein Plätzchen für mich bei den anderen geben.“
Er war öfters bei Strauchs gewesen und wußte, daß der junge Strauch ein wenig mit der Zunge anstieß. Dies ahmte er, so gut es gehen wollte, nach. Übrigens verstand es sich ganz von selbst, daß die Stimme durch die Larve verändert wurde.
„Der Anzug sitzt dir ausgezeichnet“, sagte Seidelmann, indem er ihn vom Kopf bis zum Fuß herab musterte. „Ich bin neugierig, ob dich deine Marie erkennen wird! Aber, ich sehe doch deine Ringe nicht.“
„Die habe ich abgezogen, eben damit sie mich nicht erkennen soll.“
„Schlaukopf! Aber mich fragst du nicht?“
„Was sollte ich fragen?“
„Ob es mir gelungen ist!“
Eduard ahnte, daß es sich um Engelchen handle; aber er durfte nicht mit der Tür ins Haus fallen; er mußte vorsichtig sein; darum sagte er:
„Da wäre Fragen unnütz. Ich werde es ja sehen.“
„Hast du es nicht schon gesehen?“
„Hm! Ich errate! Ist sie es?“
„Natürlich! Wie gefällt sie dir?“
„Na, so leidlich.“
„Leidlich? Bist du blind? Vergleiche sie mit den anderen! Sie ist unbedingt die Schönste von allen. So frisch, so reizend, rein zum Anbeißen. In diesem Anzug sieht man erst, was sie wert ist.“
„Hm! Eine Weberstochter!“
„Das geniert nicht! Siehe ihr Haar, ihren Mund, der unter der Maske hervorblickt, diesen Hals, diesen Busen, der das römische Mieder zu zersprengen droht, diese vollen Arme, schneeweiß und doch ohne
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