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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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rief:
    „Unsinn! Hier bleibst du! Mein mußt du werden, und wenn du wie eine Löwin nach Hilfe brüllen solltest!“
    Sie brauchte gar nicht nach Hilfe zu rufen, denn diese stand bereits vor ihr: Eduard hatte sein Versteck verlassen, war rasch herzugetreten, legte Seidelmann die Hand auf den Arm und befahl:
    „Weg von ihr!“
    Seidelmann blickte ihn bestürzt an.
    „Strauch! Alle Teufel! Was fällt dir ein?“
    „Weg von ihr!“ gebot abermals der vermeintliche Kaufmann.
    „Aber, Mensch, ich begreife dich nicht!“
    Er hielt Engelchen, welche über das Erscheinen eines zweiten so bestürzt war, daß sie sich gar nicht rührte, noch immer in den Armen. Da aber faßte ihn Eduard bei der Brust, holte mit der anderen Hand aus und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
    „Herr Jesus!“ rief Engelchen erschrocken. Die Ohrfeige hatte ihr die Beweglichkeit wiedergegeben.
    Seidelmann ließ die Arme von dem Mädchen, fuhr sich mit den Händen nach der getroffenen Wange und brüllte:
    „Kreuzdonnerwetter! Das ist zu arg! Bist du etwa verrückt geworden, Mensch?“
    „Verrückt nicht, aber ein anderer bin ich geworden! Sehen Sie her!“
    Eduard nahm die Maske vom Gesicht.
    „Eduard!“ rief das glückliche Mädchen. „Du hier? Oh, Gott sei Dank! Jetzt bin ich sicher und gerettet!“
    Seidelmann starrte den Weberssohn an, als ob er ein Gespenst vor sich stehen sehe. Dann stürzte er sich mit einem wahrhaft brüllenden Schrei auf ihn.
    Eduard hatte das erwartet. Er hatte das Mädchen an seiner Brust, wendete sich deshalb mit ihr halb zur Seite, holte mit der rechten Faust aus und empfing Seidelmann mit einem solchen Faustschlage ins Gesicht, daß dieser zurücktaumelte und zu Boden stürzte. Er war dem Kaufmanne an Körperkraft überlegen.
    „Komm, Engelchen, laß uns gehen!“
    Bei diesen Worten schritt er mit ihr nach der Tür. Da aber schnellte sich Seidelmann empor, faßte ihn am Arm und rief:
    „Halt, Bube! Nicht von der Stelle! Erst sollst du gestehen, wie du hereingekommen bist!“
    Eduard bewahrte seine Kaltblütigkeit. Er antwortete:
    „Frag nicht so albern, dummer Mensch! Du selbst hast mich ja hergeschickt und mir den Schlüssel gegeben!“
    „Wie kommst du nach dem Saal?“
    „Durch die Tür.“
    „Wie darfst du es wagen, dich für Strauch auszugeben?“
    „Wer kann sagen, daß ich das getan habe? Du hast mit mir gesprochen und mit mir gewettet. Ich habe die Wette gewonnen. Morgen abend werde ich nach den fünfzig Gulden schicken. Nun aber die Hand von meinem Arm, sonst kommt noch etwas Gepfeffertes!“
    Seidelmann vermochte den Hergang der Sache nicht zu begreifen: aber er sah, daß er der Betrogene, der Blamierte sei. Das verdoppelte seinen Grimm über den mißlungenen Anschlag. Er versuchte es, Eduard zu schütteln, und rief dabei:
    „Du hast dich ohne Erlaubnis in unsere Gesellschaft eingeschlichen! Vorwärts! Hinüber in den Saal! Wir werden Rechenschaft fordern!“
    „Mach dich nicht lächerlich, alter Fritze! Ihr habt mein Mädchen eingeladen und zum Mädchen gehört auch stets der Bursche; das ist eine alte Sache! Geh du in den Saal, wir aber gehen nach Hause!“
    „Das wird sich finden! Fort! Hinüber!“
    „Laß los, sage ich!“
    Und, als auch jetzt Seidelmann die Hände nicht von ihm nahm, ließ er Engelchen für einen Augenblick fahren, faßte den Wütenden mit Gedankenschnelle und warf ihn zu Boden, daß alles krachte.
    „Komm, Engelchen! Jetzt hat er genug!“
    Er nahm das Mädchen beim Arm, zog den Riegel zurück und trat hinaus.
    Im Saal war eine Musikpause eingetreten, und so hatte man die lauten Stimmen gehört. Mehrere Masken traten heraus auf den Gang. Sie erblickten die beiden; sie kannten Eduard nicht, und einer fragte, ganz verblüfft:
    „Was ist denn los? Wer zankt sich da?“
    „Der Teufel ist los! Da drinnen steckt er!“ antwortete Eduard, nach der offenen Tür hinter sich deutend.
    Und während die Neugierigen in das Zimmerchen traten, nahm er Engelchens Tuch vom Tisch und sagte:
    „Komm, hüll dich ein! Wir wollen machen, daß wir fortkommen, sonst wird es noch schlimmer, als es gewesen ist.“
    Sie folgte seiner Aufforderung. Als sie eben die Treppe hinabstiegen, ertönte hinter ihnen ein lautes Brüllen:
    „Haltet sie auf! Haltet sie auf! Der Kerl muß seine Keile kriegen, fürchterliche Keile!“
    Seidelmann war es, welcher sich mittlerweile vom Boden aufgerafft hatte und ihnen nacheilte.
    „Schnell, schnell!“ bat Eduard. „Daß wir nur wenigstens ins

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