61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
mit nach Hause, und der alte, fromme Schuster wird ihm von dem Fremden am Schacht zu erzählen haben. Wer da lauschen könnte? Ich werde doch noch ein wenig warten.“
Nach einer Weile bemerkte er, daß die Lichter von der vorderen Front des Hauses verschwanden; dann erleuchtete sich ein Fenster an der Gartenseite.
„Sollte nun hier die Konferenz stattfinden? Man muß sehen!“
Er stieg über den Zaun. Es gab keine Möglichkeit, bis zur Höhe des Fensters zu gelangen. Erst als er nach einiger Zeit sich nach dem Seitengebäude hinüberschlich, gewahrte er eine Leiter, deren er sich bedienen konnte. Er trug sie nach der hinteren Seite des Hauses und lehnte sie neben dem erleuchteten Fenster an. Dann stieg er auf die Gefahr hin, bemerkt oder überrascht zu werden, hinan. Er durfte natürlich nicht seinen Kopf am Fenster zeigen. Er schielte nur so hinein, und da erblickte er denn die drei Seidelmänner, Vater, Sohn und Oheim. Die beiden ersteren saßen am Tisch, und der letztere war soeben auf einen Stuhl gestiegen und stand im Begriff, ein Bild von der Wand abzunehmen.
Als dies geschehen war, zeigte sich ein großes und tiefes viereckiges Loch in der Mauer. Seidelmann, der Vater, griff hinein und brachte einen Karton zum Vorschein, welchen er öffnete und damit zum Tisch trat. Er nahm etwas Schwarzes heraus. Es schienen breite, kostbare Spitzen zu sein, von denen ein ziemlich langes Stück abgemessen und dann abgeschnitten wurde.
„Schön!“ flüsterte Arndt, indem er leise und langsam wieder von der Leiter stieg. „Belauschen kann ich sie nicht. Wenn einer von ihnen an das Fenster tritt, muß er mich sofort erblicken. Es ist zu gefährlich! Aber etwas habe ich doch profitiert: Ich kenne den Ort, an welchem diese Schmuggler ihre Spitzen versteckt haben. Es kommt jedenfalls der Augenblick, an dem ich diese Entdeckung verwerten kann!“
Er trug dann die Leiter an ihren Ort zurück und entfernte sich. Er hätte nur noch kurze Zeit verweilen sollen!
SIEBENTES KAPITEL
Ein böser Plan
Als Fritz Seidelmann vorhin nach Hause kam, fand er Vater und Oheim seiner wartend.
„Donnerwetter, Junge, was hast du denn heute abend für dummes Zeug gemacht?“ empfing ihn der Vater.
Doch zeigte das Gelächter, mit welchem er diese Frage begleitete, daß er sich keineswegs in Zorn über den Sohn befinde.
„Was für dummes Zeug?“ fragte dieser.
„Die Prügelei mit dem Hausers Jungen.“
„Pah! Das ist nicht der Rede wert!“
„Aber er ist dir doch mit dem Täubchen davongeflogen! Er wird es wohl nun vor lauter Liebe fressen!“
„Woher wißt ihr denn von dieser albernen Geschichte?“
„Das fragst du noch? Mensch, das ganze Nest weiß es bereits, vom Pfarrer und Bürgermeister an bis zum Nachtwächter herab! Es sind ja gerade genug Leute dabeigewesen! Eine Dummheit von dir, eine geradezu riesenhafte Dummheit!“
„Daß ich nicht wüßte!“
„Oho! Ich hätte dich für gescheiter gehalten.“
„Hätte dieser Schuft, dieser Hauser, sich nicht unrechtmäßigerweise eingeschlichen gehabt, so wäre es ganz anders gekommen!“
„Unsinn! Die Geschichte war dumm arrangiert. Ich weiß auch den Unterschied zwischen Henne und Henne; ich bin auch jung gewesen, und es fällt mir gar nicht ein, dir die Flügel zu beschneiden, aber wenn ich ein Mädchen haben wollte, dessen ich nicht ganz sicher war, so habe ich es ganz anders angefangen. Ich gebe zu, daß das Engelchen ein feiner Bissen ist; aber sie in den Klub einladen, das war Blödsinn. Es gab da hundert andere Gelegenheiten, im stillen und mit größerer Sicherheit zum Ziel zu gelangen. Du bist famos blamiert! Mich geht es nichts an; aber ich ärgere mich, daß mein Sohn nicht gelernt hat, so etwas geschickter einzufädeln! Warum hast du mich nicht um Rat gefragt? Warum hast du mir nichts gesagt?“
„Der Onkel wußte davon. Übrigens bringe ich aus dem verlorenen Scharmützel immerhin wertvolle Beute mit!“
„Die mag ich gar nicht sehen! Und was den Onkel betrifft, der kann mir auch gestohlen werden! Der hat heute auch einen Pudel geschossen, der gar nicht größer hätte sein können!“
„Wieso?“
„Ich ging zum Bürgermeister, wo dann, kurz bevor ich nach Hause ging, dein Abenteuer erzählt wurde. Unterdessen hatte es unten im Kontor geklingelt.“
„Das weiß ich. Ich schickte den Onkel.“
„Warum gingst du nicht selbst?“
„Ich hatte keine Zeit; ich mußte ja in das Kasino!“
„Kasino hin, Kasino her! Das Geschäft geht vor! Es ist
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