61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
selbst!“
„Dann dürfte aber keine Zeit zu verlieren sein!“
„Haben Sie keine Sorge! Wir werden reiten!“
„Wir? Sie selbst werden sich also beteiligen?“
„Ja. Ich selbst werde es sein, der den berüchtigten Pascherkönig ergreift. Wollen Sie sich beteiligen?“
Diese Frage elektrisierte Fritz. Welch eine Genugtuung, wenn er bei der Verhaftung seines Feindes zugegen sein konnte!
„Ist dies denn möglich?“ fragte er.
„Warum nicht?“
„Ich bin nicht Beamter.“
„Aber Sie sind unser Berichterstatter.“
„Wird Hauser das erfahren?“
„Wünschen Sie, daß es verschwiegen bliebe?“
Fritz dachte einen Augenblick lang nach und antwortete dann:
„Er kann es immerhin erfahren.“
„Sie fürchten also seine Rache nicht?“
„Nein. Was kann er mir schaden, wenn er sich in Gefangenschaft befindet?“
„Sie haben recht. Sie gehören zu den wenigen, welche Mut besitzen. Können Sie reiten?“
„Leidlich.“
„Schön. Ich werde von Grenzern und Gendarmen requirieren, was zu erlangen ist. Zu Pferd treffen wir noch vor der Dämmerung beim Föhrensteig ein.“
„Aber, Herr Staatsanwalt, wird er uns nicht entgehen?“
„Nein, wenn er nämlich den angegebenen Weg auch wirklich einschlägt.“
„Hm! Wir müssen durch seinen Wohnort reiten. Wenn er uns bemerkt, so wittert er vielleicht Gefahr.“
„Wir reiten um den Ort herum.“
„Er kann uns trotzdem bemerken. Eine solche Truppe fällt in die Augen.“
„Wir verteilen uns und schlagen verschiedene Wege ein.“
„Das ist notwendig. Und vielleicht wäre es am besten, am Föhrensteig solche Maßregeln zu ergreifen, daß er auf keinen Fall zu entkommen vermag.“
„Oh, halten Sie mich nicht für einen Stümper. Ich bin Vertreter der Staatsgewalt und werde meine Arrangements schon zu treffen verstehen.“
„Wir müßten uns teilen.“
„Sie meinen, die eine Hälfte diesseits und die andere jenseits der Brücke?“
„Ja. So würde er gerade auf der Brücke ergriffen.“
„Ich dachte auch bereits daran. Aber, verlieren wir nun keine Zeit. Wo werden Sie zu treffen sein?“
„Im Gasthof ‚Zum Grauen Wolf‘.“
„Gut! Wir werden Sie dort abholen. Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet und tue nur meine Schuldigkeit, wenn ich Ihnen die Genugtuung gewähre, beim Ergreifen des berüchtigten Pascherkönigs zugegen gewesen zu sein.“ –
Der, von dem die Rede war, nämlich Eduard Hauser, befand sich um diese Zeit bereits wieder auf dem Heimweg. Er ahnte von der Wolke, welche sich über ihm so drohend zusammenzog, nicht das geringste. Indem er so allein dahinschritt, dachte er an den gestrigen Abend, an sein Engelchen und an seine Versöhnung mit der Geliebten. Er fühlte sich so glücklich, daß er die Zeit gar nicht beachtete, und darum ganz verwundert stehenblieb, als er sein Heimatstädtchen vor sich sah.
„Schon!“ sagte er zu sich. „Wie schnell die Zeit vergangen ist! Das geschieht nur dann, wenn man sich glücklich fühlt. Da eilen die Tage wie sonst die Stunden.“
Er blickte überlegend nach rechts und links und fragte sich:
„Gehe ich durch die Stadt oder um die Stadt? Hm! Das letztere wird besser sein. Vielleicht sehe ich mein Engelchen. Gehe ich langsam am Zaun hin, so kann sie mich durchs Fenster sehen und kommt vielleicht auf einen Augenblick heraus.“
Er hatte sich nicht verrechnet.
Er ging hinter den Gärten hin. Als er in die Nähe der Wohnung der Geliebten kam, hemmte er seine Schritte. Er schlenderte langsam am Zaun hin und blieb dann an der hinteren Pforte stehen.
Kaum eine Minute später wurde die Tür geöffnet, und Angelika kam heraus.
„Richtig!“ lächelte er ihr zu. „Das habe ich gedacht! Du hast mich kommen sehen?“
„Ja.“
„Dein Vater auch?“
„Nein, sonst hätte ich nicht heraus gekonnt.“
„So ist er noch böse?“
„Oh, böser als vorher“, seufzte sie.
„Dann ist er kaum zu begreifen!“
„Der Seidelmann hat ihn ganz und gar eingenommen. Und als er heute hörte, was gestern geschehen ist, so war es fast gar nicht zum Aushalten.“
„Wie kurzsichtig! Wer hat es ihm erzählt?“
„Der Wirt selbst, den er getroffen hat.“
„Der wird die Sache freilich sehr entstellt haben, da er von meinem Einschreiten sicherlich keinen Nutzen gehabt hat.“
„Vater kam ganz erbost nach Hause. Er drohte mir sogar, was er noch niemals getan hat, mit – mit –“
„Nun, mit wem denn?“
„Mit Prügel! Denke dir nur!“
„Das soll er nur unterbleiben lassen!“
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