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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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werde ich Sie ersuchen lassen, im Amt zu erscheinen. Gute Nacht!“
    Jetzt konnte er nicht anders; er mußte gehen. Und gerade jetzt schlug Engelchen die Augen auf. Sie sah das Gesicht des Geliebten ganz neben dem ihrigen.
    „Eduard, lieber Eduard!“ sagte sie. „Du bist wirklich gefangen?“
    „Leider!“ nickte er.
    „Und – ich – ich – habe ich wirklich geschossen?“
    „Ja, Engelchen.“
    Da nahm ihr Gesichtchen den Ausdruck der höchsten Angst an. Sie wendete den Kopf nach der Seite, auf welcher Seidelmann gestanden hatte. Sie erblickte ihn nicht. Sie sprang mit einem Ruck empor und fragte entsetzt:
    „Man hat ihn fortgeschafft? Ich habe ihn erschossen?“
    „Nein, Engelchen“, sagte Eduard. „Ein einziges Schrotkörnchen hat ihn nur am Ohr gestreift. Er ist nach Hause.“
    „Gott sei Dank, tausendmal Dank! Ich war so außer mir, ich wußte gar nicht, was ich tat.“
    Sie setzte sich auf einen Stuhl und begann bitterlich zu weinen. Mutter Hauser trat zu ihr, legte den Arm um sie, zog sie an sich und sagte:
    „Sei still, mein Kind, und beruhige dich! Unser Herrgott wird alles zum besten lenken.“
    Der Anwalt betrachtete die Gruppe und sagte, ganz hörbar in der Absicht, zu beruhigen:
    „So ist es recht! Mit Gottes Hilfe werden wir Klarheit in dieses Dunkel bringen. Dieser Seidelmann scheint ein Spezialfeind von Ihnen zu sein?“
    „Herr, ich sage nicht gern einem meiner Mitmenschen Übles nach“, antwortete Vater Hauser; „aber hier haben Sie das rechte Wort getroffen: Spezialfeind.“
    „Warum ist er das?“
    „Wegen dieser da.“
    Bei diesen Worten deutete er auf Engelchen.
    „Bitte, erzählen Sie!“
    Der Alte berichtete ihm alles, was in letzter Zeit geschehen war. Der Beamte hörte still und überlegend zu und sann dann ein Weilchen vor sich hin.
    „Wo haben Sie des Nachts Ihren Rock?“ fragte er dann Eduard.
    „Ich pflege ihn hier auszuziehen und auch hierzulassen.“
    „Hm! Ist des Nachts Ihr Haus gut verschlossen?“
    Vater Hauser antwortete:
    „Herr Anwalt, wir sind arme Leute. Wer will uns etwas nehmen? Weswegen sollen wir schließen. Durch unsere Hintertür kann ein jeder in das Haus.“
    „So, so! Auf diesen Umstand wird man zu achten haben. Ah, da kommen sie.“
    Seine Leute kamen jetzt und meldeten, daß sich auch nicht das Allergeringste gefunden habe, was darauf schließen lasse, daß hier ein Schmuggler oder gar der Waldkönig wohne.
    Es schien, als ob der Beamte das nun nicht anders erwartet habe. Er winkte den Seinen, die Stube zu verlassen, und wendete sich dann an Eduard.
    „Ich will Ihnen gestehen, daß meine Meinung über Sie sich geändert hat. Aber leider bin ich nicht von meiner Meinung, sondern von meiner Pflicht abhängig.“
    „Sie können mich nicht freigeben?“
    „Nein.“
    „Sie werden mich mit nach der Amtsstadt nehmen?“
    „Ja. Ich muß Sie dort so lange internieren, bis wir uns das Vorhandensein der Spitzen erklären können!“
    „Mein Gott! Wer soll das erklären? Da werde ich wohl ewig gefangen bleiben!“
    „Denken Sie das nicht! Ihr Vater hat vorhin vom lieben Gott gesprochen, und zwar mit vollem Recht. Ich bin überzeugt, daß wir sehr bald Klarheit erhalten werden. Vielleicht vermute ich bereits, von woher diese zu erwarten ist. Ich sichere Ihnen eine milde Behandlung zu.“
    „Ist das auch mild?“
    Dabei zeigte er seine Hände vor, welche zusammengebunden waren. Der Beamte antwortete:
    „Ich war dazu gezwungen. Sie hatten ja einen Fluchtversuch gemacht. Leider muß das auch so bleiben, bis wir angekommen sind.“
    „Aber darf man nicht wenigstens nach meiner Wunde sehen?“
    „Gewiß! Dazu haben wir noch Zeit.“
    „Komm her, Eduard!“ sagte Engelchen geschwind. „Mutter mag mir Leinwand geben. Ich verbinde dich!“
    Sie stand von ihrem Stuhl auf.
    „Oh, bitte, lassen Sie das ganz der Mutter über, Fräulein Hofmann!“ sagte der Anwalt.
    „Warum soll ich es nicht?“
    „Haben Sie gehört, Leute, was Seidelmann von mir fordert? Er machte mich auf meine Pflicht aufmerksam. Und leider bin ich gezwungen, sie zu erfüllen.“
    Engelchen blickte ihn ungewiß und fragend an.
    „Sie haben geschossen, Fräulein“, bemerkte er.
    „Mein Gott, ja! Ich wollte nicht! Ich wollte ihm nur sagen, was er wert sei.“
    „Ich weiß das. Ich war ja selbst Zeuge des ganzen Auftritts.“
    „So wird man wohl denken, daß ich ihn wirklich habe totschießen wollen?“
    „Nein, das wird man nicht denken. Aber das Gesetz verlangt, daß

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