61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
erschrecken möchten.“
Mutter Hauser stieß einen halb unterdrückten Schrei aus und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Vater Hauser blieb ruhig. Er holte zwar tief, tief Atem, sagte dann aber:
„Ich danke Ihnen, daß Sie diese Aufmerksamkeit für uns alten Leute gehabt haben, Herr. Aber bringen Sie den Eduard getrost herein. Ich bin überzeugt, daß er unschuldig ist. Sollte ich mich aber dennoch und wider alles Erwarten irren, so werde ich ihm befehlen, ein offenes Geständnis abzulegen. Und mir wird er gehorchen. Darauf können Sie sich verlassen!“
Während Eduard mit seiner Bedeckung, bei welcher sich auch Fritz Seidelmann noch immer befand, draußen vor dem Haus stand, fühlte er oben am Arm einen stechenden Schmerz und zugleich bemerkte er, daß es ihm naß über die gefesselten Hände lief und tropfte.
„Ich muß verwundet sein!“ sagte er.
Er erhielt keine Antwort. Da kam der Anwalt heraus und befahl, daß man eintreten solle. Zwei der Grenzer führten den Gefangenen in die Stube. Auch Seidelmann trat mit ein. Die anderen blieben im Flur stehen.
„Herrgott!“ schrie Mutter Hauser auf, als sie ihren Sohn erblickte. „Du blutest ja!“
Sie wollte zu ihm eilen. Ihr Mann hielt sie zurück und sagte ernst:
„Laß das, Mutter. Es ist besser, sein Leib verblutet als seine Seele. Eduard, komm her.“
Der Sohn trat nahe zu dem Vater heran.
„Hast du gepascht?“ fragte der letztere.
„Nein!“ antwortete Eduard.
„Aber man hat Spitzen bei dir gefunden?“
„Ja.“
„Woher hast du sie?“
„Ich habe nichts von ihnen gewußt. Sie staken im Rockfutter. Ich weiß nicht, wie sie da hineingekommen sind.“
Es war, als ob der Vater seinen Sohn mit dem Auge durchbohren wolle. Dann fragte er seine Frau:
„Glaubst du ihm, Mutter?“
„Ja. Er ist kein Pascher.“
„Ich glaube auch, daß er unschuldig ist. Herr Staatsanwalt, untersuchen Sie diese Sachen mit aller Strenge! Gott wird es wollen, daß der Schuldige entdeckt werde.“
„Brennt euch nur nicht weiß!“ ertönte es da von der Ecke her, in welcher Fritz Seidelmann stand. „Er hat sich doch in seinem Brief als Waldkönig unterschrieben.“
Vater Hauser richtete seinen Blick auf den Sprecher und sagte:
„Ah, Herr Seidelmann! Ich habe Sie ja gar nicht eintreten sehen! Sie sind auch dabei? Jedenfalls haben Sie die Anzeige gemacht! Nicht?“
„Ich brauche es nicht zu leugnen. Ich mußte ja meine Pflicht erfüllen.“
„Ja, in Beziehung auf Pflichterfüllung stehen Sie geradezu beispiellos da.“
Und sich zu seinem Sohn wendend, fuhr er fort:
„Was ist es mit dem Brief, Eduard? Du hast dich also als Waldkönig unterschrieben?“
„Ja, Vater. Es fiel mir nichts anderes ein. Fritz Seidelmann hatte Engelchen zur Maskerade eingeladen. Ich kannte die Gefahr, die ihr dabei drohte; ich wollte sie beschützen; ich wollte dabeisein; es durfte aber ein Mitglied nur kommen. Darum schrieb ich als Waldkönig einen Brief an Herrn Strauch und verbot ihm, zur Maskerade zu gehen. Er ist zu Hause geblieben, und ich ging. Dadurch ist es mir gelungen, Engelchen zu retten, sonst wäre es ihr ganz so ergangen wie des Schreibers Tochter, die nun unschuldig gefangen sitzt.“
„So also! So ist es gewesen! Eduard, das war eine große Unvorsichtigkeit. Aber ein Pascher bist du nicht. Wir brauchen keine Angst um dich zu haben. Herr Staatsanwalt, durchsuchen Sie unser Haus.“
Es war dem Beamten ganz so, als ob er dem alten Manne Glauben schenken müsse; aber er mußte seine Pflicht tun und gab Befehl, die Durchsuchung des Häuschens zu beginnen.
Während seine Leute sich mit den Laternen in die verschiedenen Räume zerstreuten, ertönte durch die Läden des Nachbarhauses eine laute, zornige Männerstimme bis auf die Gasse heraus. Hofmann zankte mit seiner Tochter. Er warf ihr ihren Ungehorsam vor und wollte sie zur Einwilligung zwingen, bei Seidelmanns in Dienst zu gehen.
Engelchen weigerte sich mit aller Bestimmtheit. Das regte ihn nur noch mehr auf.
„Liegt dir vielleicht der Lump, der Hausers Eduard, im Sinn?“ fragte er im drohenden Ton.
Sie antwortete unerschrocken:
„Der Eduard ist arm, aber kein Lump. Er meint es ehrlich mit mir, ehrlicher selbst, als mein Vater, der mich an den Seidelmann verschachern will.“
„Was höre ich? Was sagst du da, Mädchen!“ brüllte er. „Ah, dich will ich schon gehorsam machen! Gleich morgen früh schaffe ich dich zu Seidelmann!“
„Nur tot bringst du mich hin.“
„So mußt du aus dem
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