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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schlimm daran! Blind zu sein ist eine schwere Heimsuchung. Bete Sie mir recht fleißig zu Gott! Er hat den Tobias mit Hilfe einer Walfischleber sehend gemacht. Vielleicht läßt er auch Ihr ein Mittel zur Heilung finden.“
    Der mit anwesende Pastor räusperte sich laut. Er war ein bescheidener, stiller Diener seines Gottes, nicht ein schneidiger, wehrhafter Petrus; aber was er hier hörte, war ihm doch zuviel.
    Die Alte sagte in klagendem Ton:
    „Ach, Hilfe gibt es für mich keine. Ich bin im Bergwerk bei einer Explosion verunglückt. Mir fehlen ja die Augäpfel; man hat sie mir herausgeschnitten. Hätte ich da nicht von dem Herrn Baron eine Unterstützung zu verlangen, Herr Pastor?“
    „Nein. Er hat Ihr den Arbeitslohn pünktlich bezahlt, solange Sie tätig war. Wenn Sie nicht mehr arbeitet, so hat Sie auch nichts mehr zu verlangen.“
    „Aber Sie sind doch sein Stellvertreter! Könnten Sie nicht ein gutes Wort für mich einlegen?“
    „Das geht nicht. Ich bin nicht sein vortragender Rat.“
    „Ich verstehe nicht, wie das gemeint ist, Herr Pastor, aber seit jenem Unglücke führe ich das elendeste Leben, welches nur geben kann. Die anderen können hinaus auf die Dörfer, wo es eher ein Stückchen Brot gibt als hier. Ich aber taste mich im Ort von Haus zu Haus, wo lauter arme Leute wohnen. Ich weiß, wie der Hunger tut; ich weiß aber seit langer Zeit nicht mehr, wie es ist, wenn man satt ist. Ich friere bis in die Seele hinein. Heute haben Sie eine so schöne Rede gehalten, so schön und so rührend –“
    „Ah, hat sie Ihr gefallen?“
    „Oh, sehr, sehr! Sie sprachen vom Wohltun und vom Mitteilen. Mich hungerte so sehr. Da dachte ich: Du gehst nachher zu ihm. Da gibt es feines Abendessen, Braten und Wein. Wer so schön vom Wohltun reden kann, der hat sicherlich ein gutes Herz; der wird dich nicht hungern lassen!“
    Er zog die Stirn in Falten und fragte:
    „So kommt Sie also betteln?“
    „Ein Stück Brot will ich gern haben, nur ein kleines Stückchen Brot, keinen Braten und keinen Wein.“
    Da machte er ein pfiffig strenges Gesicht und sagte:
    „Da wird Ihr Gang wohl umsonst gewesen sein! Schäme Sie sich! In Gegenwart dieser Herrschaften zu betteln!“
    Sie griff zu der alten, zerrissenen Schürze, als ob sie weinen und sich die Tränen trocknen wolle, ließ sie aber sofort wieder fallen.
    „Herr Pastor“, sagte sie, „ich darf nicht weinen, denn die Tränen können bei mir nicht heraus; das verursacht mir große Schmerzen; das brennt wie höllisches Feuer. Heute, als Sie so schön sprachen, hätte ich dennoch bald geweint, geweint vor Freude, daß es einen solchen Mann gibt, der vom lieben Gott die Gabe und den Auftrag hat, unsere Not zu stillen. Geben Sie mir ein Stückchen Brot!“
    „Wenn alle Bettler gerade zu mir kommen wollten, weil ich das Wort der Liebe predige, müßte ich bald selbst betteln gehen!“
    „Aber bedenken Sie, daß Sie uns singen ließen:
    Sollt es gleich bisweilen scheinen,
Als verließe Gott die Seinen,
Ei, so weiß und glaub ich dies:
Gott hilft endlich doch gewiß!“
    „Das ist wahr; aber wir haben doch auch gesungen:
    So hält Gott doch Maß und Ziel:
Er gibt, wem und wenn er will!“
    „So meinen Sie, daß ich von ihm nichts bekommen solle?“
    „Das nicht. Aber denke Sie an das Wort, welches der Heiland bei der Hochzeit zu Kana sagt: Weib, meine Stunde ist noch nicht gekommen!“
    „Oh, die brauchte auch nicht gekommen zu sein, denn als er das sagte, hatten alle Gäste noch genug Essen und Wein.“
    „Ich sehe, daß Sie sehr bibelfest ist, und das freut mich. Aber gerade darum kann ich Ihr kein Brot geben. Gott will helfen und wird helfen; ich darf ihm ja nicht vorgreifen. Gehe Sie nur nach Hause in Ihr Kämmerlein; knie Sie nieder und bete Sie zu Ihrem Vater im Verborgenen, recht gläubig, recht innig und vertrauend! Es steht in der Bibel, daß das Gebet des Gerechten Berge zu versetzen vermöge. Bete Sie also, anstatt zu betteln, und ich bin überzeugt, daß er Ihr helfen wird.“
    „Aber wie soll er mir denn helfen? Doch durch Menschen. Gott kommt nicht mehr auf die Erde herab!“
    „Warum nicht? Er kommt auch heute noch. Ich kann, ich darf Ihr nichts geben; ich darf Gott die Freude nicht verderben. Bete Sie, und dann wird er selbst kommen und Ihr helfen, oder er wird Ihr einen seiner Engel senden!“
    Da ging ein eigentümliches Zucken über ihr erfrorenes, blindheitsstarres Gesicht. Sie biß die Zähne zusammen und krümmte die Finger, als ob sie

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