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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sagen, ich aber bin ein christlicher Seelsorger; als solcher habe ich die heilige Pflicht, Sie zu warnen, wenn ich Sie in Gefahr sehe. Übrigens sind wir einstweilen fertig. Für diese Frau ist gesorgt.“
    Seidelmann, der Kaufmann, der sich mit dem Priester doch nicht gern verfeinden wollte, näherte sich und fragte:
    „Sie wollen sie doch nicht für immer bei sich behalten?“
    „Nein, das ist nicht nötig. Aber ich werde dafür sorgen, daß die Bewohner des Armenhauses nicht mehr zu betteln und zu hungern brauchen.“
    „Na, na, Herr Pfarrer! Wie wollten Sie das anfangen? Unsere Gemeinde ist zu arm, als daß sie mehr tun könnte als bisher.“
    Es war ein wirklich seliges Lächeln, welches sich über das Gesicht des braven Geistlichen breitete, als er jetzt antwortete:
    „Oh, ich habe Geld!“
    „Sie? Sie sind ja arm, soviel ich weiß!“
    „Das bin ich auch; aber es hat sich ein mildtätiges Herz gefunden, von dem ich eine Summe für unser Armenhaus eingehändigt bekommen habe.“
    „Sapperlot! Das wäre! Wieviel?“ fragte da rasch der Schuster.
    „Ich durfte mich um Ihre Kasse nicht bekümmern, mein Herr; ich bitte, auch mit der meinigen machen zu können, was mir beliebt.“
    „Oh, das steht anders. Bei mir handelt es sich um die Kasse eines Vereins, bei Ihnen aber um eine kommunale Angelegenheit. Mein Bruder, der Herr Kaufmann Seidelmann hier, hat das Armenwesen des hiesigen Ortes zu leiten. Unter seiner Direktion befindet sich auch das Armenhaus. Sie werden ihm das, was Ihnen eingehändigt wurde, auszuliefern haben.“
    „Wohl nicht. Der Geber hat mir die Summe in Verwaltung gegeben; nur ich habe zu bestimmen, in welcher Weise über sie verfügt werden soll.“
    „So ist diesem Geber das Gemeindestatut unbekannt. Wer ist der Mann?“
    „Auch hierüber bin ich Ihnen keine Auskunft schuldig; aber aus Höflichkeit gegen die übrigen Herren will ich Ihnen sagen, daß heute der Fürst des Elends bei mir gewesen ist.“
    Nach diesen Worten herrschte einige Augenblicke lang tiefe Stille im Zimmer. Diesen Namen hatte niemand zu hören erwartet. Die Seidelmanns waren beide bleich geworden. Sie warfen einander einen sehr bezeichnenden Blick zu, und dann endlich sagte der Kaufmann:
    „Der Fürst des Elends? Unmöglich!“
    „Warum unmöglich?“
    „Der ist ja in der Residenz!“
    „Sollten Sie wirklich nicht gelesen haben, daß er seit vorgestern und gestern uns sehr nahe gerückt ist?“
    „Es hat sich jemand einen Spaß gemacht!“
    „Das glaube ich nicht annehmen zu dürfen. Eines einfachen Spaßes wegen gibt man nicht Tausende aus.“
    „Tausende? Alle Teufel! Soviel haben Sie erhalten?“
    „Ja.“
    „So muß es allerdings Ernst sein. Wie sah er aus?“
    „Ich weiß nicht, ob ich befugt bin, Antwort auf diese Frage zu geben. Der edle Spender hat mir nicht ausdrücklich gesagt, daß ich sein Äußeres beschreiben darf.“
    „Aber ausdrücklich verboten hat er es auch nicht?“ fragte Seidelmann mit auffälliger Dringlichkeit.
    „Nein.“
    „Nun also, wie sah er aus?“
    „Ich werde doch für jetzt noch davon schweigen. Ich werde mir diese Angelegenheit schnell, aber reiflich überlegen, um in der nächsten Gemeinderatssitzung meine Vorlagen machen zu können. Gute Nacht, meine Herren!“
    Er entfernte sich rasch, indem er die Blinde beim Arm nahm und hinausführte. Hinter ihm erschollen laute, lebhafte Stimmen. Mit der Erwähnung des Fürsten des Elends war ein Thema zur Sprache gekommen, wie so interessant es gewiß kein zweites gab. Dasselbe wurde denn auch auf das Ausführlichste besprochen. Ein jeder hatte etwas, was die anderen noch nicht wußten, von diesem rätselhaften Wesen gehört, und das mußte natürlich alles erzählt werden.
    Darüber kehrte Fritz von seinem Ausgang zurück. Er hatte sich natürlich auf seinem Zimmer wieder aus- und umgezogen. Auch er war nicht wenig betreten darüber, daß der Fürst des Elends sich im Ort befunden habe oder sich vielleicht sogar noch in demselben befinde. Doch war es ihm sehr unangenehm, sich an diesem Gespräch zu beteiligen, und darum fragte er mit lauter Stimme:
    „Apropos, meine Herren, wissen Sie bereits, daß uns morgen ein seltener Kunstgenuß bevorsteht?“
    Alle wendeten sich zu ihm und fragten ihn, welcher Kunstgenuß dies wohl sei.
    „Es ist eine Gymnastiktruppe angekommen, nämlich in der Nachbarstadt. Die Leute wollen über die Grenze, vorher aber erst eine Vorstellung geben, jedenfalls, um sich das Reisegeld zu

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