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61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: 61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Handschuhe aus und öffnete den Reißverschluss des Parkas. Dann rutschte er weiter. Peterson und Holland folgten ihm tief gebückt watschelnd, immer in Sichtweite. Er konnte Kniegelenke knacken hören. Vermutlich die von Holland. Peterson war jünger und besser in Form.
    An der Türöffnung drehte Reacher sich um und leuchtete in den Korridor hinein. Vor ihm lag ein ungefähr fünfunddreißig Meter langer und völlig waagrechter Tunnel wie ein Kohleflöz. Er war einen Meter sechzig hoch und etwa gleich breit. Links verlief ein hindernisfreier Laufgang. Die rechte Seite bestand aus einem einzigen langen halbhohen Betonsockel, der fünfunddreißig Meter lang und wenig über einen halben Meter hoch war. Ein Schlafbord, dachte Reacher. Er stellte es sich mit etwa zwanzig kleinen Schlafsäcken ausgelegt vor. Zwanzig schlafende Kinder. Für jedes gut anderthalb Meter.
    Aber dafür war der Korridor nie genutzt worden. Hier gab es keine Schlafsäcke. Keine schlafenden Kinder. Stattdessen war auf dem Bord das überschüssige Material von den ehemaligen US-Bomberflugplätzen in England gestapelt. Hunderte und Aberhunderte von Ziegeln aus einem weißen Pulver, jeder eng in vergilbendes Pergamin verpackt, das eine Krone trug: ein Kopfband mit drei Zacken und darüber Kugeln, die Edelsteine darstellen sollten. Vermutlich das Warenzeichen einer längst nicht mehr existierenden Firma, die früher jedoch legal gearbeitet und sogar Staatsaufträge erhalten hatte: Crown Laboratories, wer und wo immer sie gewesen sein mochten.
    Peterson sagte: »Ich kann’s nicht glauben.«
    Die Päckchen schienen jeweils zehn hoch und zehn tief in Hundertergruppen gestapelt zu sein, von denen etwa fünfzig die gesamte Länge des Bords einnahmen. Insgesamt fünfzehntausend minus die schon fortgeschafften. Gegen Ende zu wies der Stapel einige Lücken auf. So erinnerte er an eine Ziegelmauer, die geduldig abgetragen wurde.
    Holland fragte: »Sind das vierzig Tonnen?«
    »Nein«, antwortete Reacher. »Nicht im Entferntesten. Nur ungefähr ein Drittel. Es muss zwei weitere Stapel dieser Art geben.«
    »Wie viele Päckchen sind vierzig Tonnen?«, fragte Petersen.
    »Fast vierzigtausend.«
    »Unglaublich! Im Straßenverkauf sind das vierzig Milliarden.«
    »Gut investierte Steuergelder Ihres Großvaters.«
    »Für wen war das Zeug bestimmt?«
    »Für Flieger im Zweiten Weltkrieg«, sagte Reacher. »Vor allem für Bomberbesatzungen. Keiner von uns kann sich vorstellen, was sie durchgemacht haben. Gegen Ende sind sie oft zwölf Stunden geflogen, Berlin und zurück, manchmal noch länger, Tag für Tag tief nach Deutschland hinein. Auf jedem Flug haben sie unerhörte Präzision und Durchhaltevermögen bewiesen. Und sie befanden sich jede Minute in Lebensgefahr. Jede Sekunde. Ihre Verluste waren erschreckend hoch. Sie hätten ständig verängstigt und demoralisiert sein sollen, aber sie waren immer zu erschöpft, um klar denken zu können. Aufputschpillen stellten die einzige Möglichkeit dar, sie in der Luft zu halten.«
    »Dies sind keine Pillen.«
    »Die Darreichungsform war Sache der Stabsärzte. Manche machten Pillen daraus, andere lösten das Zeug in Wasser auf, wieder andere waren dafür, es zu inhalieren, und manche verarbeiteten es zu Zäpfchen. In einigen Fällen sind vermutlich alle vier Formen verschrieben worden.«
    »Davon hatte ich keine Ahnung.«
    »Das Zeug ist offiziell ausgegeben worden – wie Stiefel oder Munition. Wie Essen.«
    »Kann nicht gut für sie gewesen sein.«
    »Bei manchen Flugzeugen wurde an die Leistungshebel ein dünner Draht gelötet, der verhinderte, dass der letzte Zentimeter ausgenutzt wurde. Ab dort begann die Notleistung. Wurde es kritisch, schob man die Leistungshebel ganz nach vorn, zerriss den Draht und hatte mehr als die volle Leistung. Das überlastete den Motor, was nicht gut war, aber es rettete einem das Leben, was gut war. Genauso war’s mit diesem Zeug.«
    »Aber wie viel haben sie davon genommen?«
    »Vermutlich viel mehr, als wir uns vorstellen können. Unsere Air Force in Europa bestand damals aus Hunderttausenden von Männern. Und die Nachfrage war immer hoch. Die Einsätze waren gefährlich. Wäre ich drüben gewesen, hätte ich bestimmt schon in der ersten Hälfte meiner turnusmäßigen Dienstzeit mein Körpergewicht geschnupft.«
    »Und so viel ist übrig geblieben?«
    »Das war vielleicht nur ein Monatsbedarf. Plötzlich wurde das Zeug nicht mehr gebraucht, aber die Produktion ist wahrscheinlich nicht

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