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61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: 61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Die runde Kammer und die speichenförmig abzweigenden Korridore waren in einem schmalen Band zwischen mächtigen Felsschichten angelegt worden. Die niedrige Deckenhöhe war eine notwendige Konzession an die geologischen Realitäten gewesen. Beruflich sicher enttäuschend, aber für eine Bande verwahrloster, unterernährter Kinder theoretisch ausreichend. Reacher konnte sich vorstellen, wie die Pioniere der U.S. Army vor diesem unerwarteten Problem gestanden, wie sie geologische Gutachten angefordert, Größentabellen studiert, schulterzuckend ihre Pläne revidiert und sich mit dem Unvermeidlichen abgefunden hatten. Technisch akzeptabel, hatten sie sicher gesagt, was die einzige Norm war, die Pioniere verstanden.
    Doch mit diesen Abmessungen war die Anlage für nichts anderes zu gebrauchen. Auch nicht für militärische Zwecke. Nicht einmal annähernd. Sie war für keinen normalwüchsigen Erwachsenen akzeptabel. Peterson, der ungefähr bis in die Mitte der Kammer gegangen war, stand dort mit tief gesenktem Kopf und angewinkelten Knien. Zusammengekauert. Seine Schultern berührten die Decke. Er watschelte mühsam, ging lächerlich gebeugt, erinnerte an einen russischen Volkstänzer.
    Und Peterson maß zehn Zentimeter weniger als Reacher.
    Reacher erhob sich wieder. Auf der untersten Stufe stand er zwanzig Zentimeter über dem Boden der runden Kammer. Ihre Decke befand sich fast auf Höhe seiner Taille. Sein ganzer Oberkörper ragte noch in den Treppenschacht.
    Nicht gut.
    Holland kam die letzten Stufen herunter und blieb dicht hinter ihm stehen, sagte: »Hier unten hören wir die Sirene bestimmt nicht.«
    »Funktioniert wenigstens Ihr Handy?«
    »Aussichtslos.«
    »Dann müssen wir uns beeilen.«
    »Nach Ihnen«, sagte Holland. »Passen Sie auf Ihren Kopf auf.«
    Reacher hatte die Wahl. Er konnte auf den Knien rutschen oder sich auf dem Hintern sitzend fortbewegen. Er entschied sich für Letzteres. Langsam und würdelos, aber deutlich weniger schmerzhaft. Er rutschte wie ein unbeholfener Turner von der letzten Stufe und schob sich wie ein Kind, das Krabbe spielt, auf Fersen, Hintern und Händen vorsichtig einen Meter weiter. Vor ihm kamen die beiden Lüftungsrohre aus der Decke und endeten einen Viertelmeter über dem Betonboden. Drei parallel niedergebrachte Bohrungen – eine große für den Treppenschacht, zwei kleinere für die Lüftungsrohre –, die alle in vorgegebener Tiefe in einer Kammer endeten, aus der speichenförmig acht Korridore abzweigten.
    Reacher sagte: »Als Siebenjähriger war ich bereits größer.«
    Seine Stimme kam als merkwürdig summendes Echo zurück. Die Akustik hier unten war eigenartig. Der Beton, auf dem er saß, war weder warm noch kalt. In der Luft hing leichter Kerosingeruch, und er spürte einen schwachen Luftzug. Luft gelangte durch das Belüftungsrohr nach unten und entwich durch den Treppenschacht. Ein Venturi-Effekt. Siebzig Meter über ihnen stand die Bunkertür offen, und der an ihr vorbeistreichende Wind saugte Luft aus dem Schacht. Aber die Natur verabscheut ein Vakuum, deshalb strömte aus dem Belüftungsrohr ebenso rasch neue Luft nach.
    »Weiter«, sagte Holland.
    Reacher rutschte einen Meter weiter. Holland trat von der letzten Stufe, folgte ihm wie Peterson gebückt, drehte sich langsam um die eigene Achse und leuchtete in die abzweigenden Korridore hinein.
    »Acht Öffnungen«, sagte er. »Acht Möglichkeiten. In welchem Gang liegt das Labor?«
    Wieder das eigenartig summende Echo. Hollands Stimme kam von überall und nirgends.
    Reacher sagte: »Es gibt kein Labor.«
    »Es muss eines geben. Wo’s Meth gibt, gibt’s ein Labor.«
    »Es hat eines gegeben«, erklärte Reacher. »Vor vielen Jahren. Aber nicht hier. Ein großer Komplex in New Jersey oder Kalifornien oder sonst wo. Mit einem Firmenzeichen an der Fassade.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Reacher leuchtete den Fußboden mit tief gehaltener Stablampe ab. Begann an der Treppe und verfolgte schwach erkennbare Spuren, die sich entgegen dem Uhrzeigersinn bis zu der Stelle wanden, an der er saß. Aus Süden, wenn er im Norden war, oder aus Norden, wenn er sich im Süden befand. Auf der Wendeltreppe hatte er rasch die Orientierung verloren.
    »Folgen Sie mir«, sagte er.
    Er rutschte voraus, stellte fest, dass er rückwärts schneller vorankam. Auf den Händen hochstemmen, mit den Füßen schieben, absitzen und diesen Vorgang wiederholen. Und noch mal. Und noch mal. Davon wurde ihm warm. Er nahm die Mütze ab, zog die

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