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61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: 61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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geleitet und durch den zweiten falschen Kamin abgeführt. Nur war diese Lüftungsanlage nie fertiggestellt worden. Und die angeblichen Kamine schienen innen abgesperrt zu sein. Irgendeine provisorische Lösung, die fünfzig Jahre lang gehalten hatte. Hier im Bunker war keine Spur von Regen oder Schnee zu sehen.
    Reacher trat an eines der Lüftungsrohre und leuchtete mit seiner Stablampe senkrecht nach unten. Als ob man in einen Brunnen sähe. Der Boden war nicht zu erkennen. Das Rohr war innen mit rostfreiem Stahl ausgekleidet. Glatt und glänzend. Stö rungsfreie Luftführung. Keine Turbulenzen. Keine Ablagerun gen, keine Schmutzansammlungen. Regelmäßige Reinigung war nicht vorgesehen gewesen. Oben hätte niemand mehr gelebt, der sie hätte durchführen können.
    Er drehte sich um, beugte sich über das Geländer und leuchtete senkrecht in den Treppenschacht hinunter. Nichts zu sehen außer Stahlstufen. Sie führten um ein einfaches Stahlrohr herum endlos in die Tiefe. An der Schachtwand gab es keinen Handlauf. Dafür reichte der Platz nicht.
    »Sieht verdammt tief aus«, sagte er.
    Seine Stimme kam als schwaches Echo zurück.
    »War vermutlich notwendig«, meinte Holland.
    Die Stufen mussten ursprünglich schwarz gestrichen gewesen sein, doch seither waren ihre Kanten durch unzählige Füße bis aufs blanke Metall abgewetzt. Und das Sicherheitsgeländer um den Treppenschacht machte einen zerschrammten und schmuddeligen Eindruck.
    Peterson sagte: »Ich gehe voraus.«
    21.55 Uhr.
    Noch sechs Stunden.
    Reacher wartete, bis Petersons Kopf zwei Meter unter ihm war, und folgte ihm dann. Die Wendeltreppe führte in einem exakt kreisrunden Schacht aus glattem Beton in die Tiefe. Weil der felsige Untergrund beim Bau große Schwierigkeiten bereitet hatte, waren die Platzverhältnisse beengt. Die Erbauer der Anlage hatten sich offenbar mit dem kleinstmöglichen Schachtdurchmesser begnügt. Der Radius war so klein, dass Reachers Schultern auf einer Seite das mittlere Stahlrohr und auf der anderen Seite die Schachtwand streiften. Aber das Hauptproblem stellten seine Füße dar. Sie waren zu groß. Eine Wendeltreppe hat Stufen, die von außen nach innen kleiner werden. Reacher konnte also immer nur mit den Absätzen auftreten. Und beim Hinaufsteigen würde er auf den Zehen gehen müssen.
    Sie stiegen weiter und weiter hinunter, Peterson voraus, dann Reacher, zuletzt Holland. Zehn Meter, zwanzig, dann dreißig. Die Lichtstrahlen ihrer Stablampen tanzten über die Schachtwand. Die Stufen unter ihren Füßen klirrten metallisch. Die Luft war still und trocken. Und warm. Wie in einem von Wetterextremen isolierten Bergwerksschacht.
    Reacher rief: »Sehen Sie schon was?«
    Peterson antwortete: »Nein.«
    Sie stiegen weiter hinab, gelangten spiralförmig tiefer und tiefer, wobei die Lichtstrahlen der Stablampen ständig im Uhrzeigersinn über die geglättete Schachtwand huschten. Sie passierten eigenartige Schwingungsknoten, wo der gesamte Schacht wie das Innere einer Oboe vibrierte und der Klang von Stiefeln auf Stahl harmonische Resonanzen erzeugte, als spräche das Erdinnere zu ihnen.
    Sechzig Meter.
    Dann mehr.
    Dann rief Peterson: »Ich bin da, glaub ich.«
    Reacher polterte zwei volle Umdrehungen weiter hinter ihm her.
    Dann machte er tief unter der Erde abrupt halt.
    Er setzte sich auf die vorletzte Stufe.
    Er leuchtete mit der Stablampe nach rechts, links, oben, unten.
    Nicht gut.
    Er glaubte die Stimme aus Virginia zu hören: Irgendetwas an der Konstruktion der Anlage hat sie für andere Zwecke unbrauchbar gemacht.
    Verdammt richtig.
    Der Treppenschacht endete in einer betonierten unterirdi schen Kammer. Sie war exakt rund. Wie eine Nabe. Ungefähr sieben Meter Durchmesser. Von der Größe eines Wohnzim mers. Aber rund. Wie ein Wohnzimmer in einem SF -Film. Sie wies acht Türöffnungen auf, die in wie Radspeichen angeordnete waagrechte Korridore führten. Die Korridore hinter den quadratischen Türöffnungen waren unbeleuchtet, finster. Der Boden der Kammer wirkte hart, eben, glatt und trocken. Die Wände sahen hart, eben, glatt und trocken aus. Die Decke war hart, eben, glatt und trocken. Die gesamte Anlage war eine saubere, exakte, tadellos erhaltene Konstruktion. Gut ausgedacht, gut entworfen, gut gebaut. Für ihren gedachten Zweck ideal.
    Ein unterirdisches Waisenhaus.
    Für Kinder.
    Für andere Zwecke unbrauchbar war die Anlage deshalb, weil die Deckenhöhe nur einen Meter sechzig betrug. Schlechte Bodenverhältnisse.

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