61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
ähnlich.«
»War’s schnell vorbei?«
»Bei Kopfschüssen meistens.«
Sie verstummten beide. Standen nur da und zitterten in der Kälte.
Holland fragte: »Sollten wir nicht die Patronenhülse suchen?«
Reacher schüttelte den Kopf. »Denken Sie an den Anwalt. Sie ist ins Auto des Schützen ausgeworfen worden.«
Holland schwieg. Reacher konnte die Frage in seinem Blick sehen. Wer ist der Kerl? Sein Gesicht war ein einziges großes Fragezeichen.
Eine peinliche Frage mit einer unerfreulichen Antwort.
Reacher sagte: »Jetzt verstehe ich, weshalb ich mitkommen sollte. Sie wollten, dass ich diese Schlussfolgerungen ziehe und sie laut ausspreche. Ich, nicht Sie. Eine unabhängige Stimme.«
Holland schwieg.
Reacher sagte: »Okay, lassen wir das. Zumindest vorläufig. Wir wollen erst mal nachdenken.«
Sie fuhren zur Polizeistation zurück. Der Chief parkte auf seinem reservierten Platz, und sie gingen zwischen den Abfalltonnen hindurch zum Eingang. Im Bereitschaftsraum deutete Holland auf Petersons Schreibtisch. »Sie sollten seine Nachrichten checken«, sagte er. »E-Mails und Anrufbeantworter. Vielleicht ist etwas reingekommen, das ihn dorthin geführt hat.«
Reacher sagte: »Sie klammern sich an Strohhalme.«
»Lassen Sie mir diese kleine Hoffnung.«
»Ist er überhaupt hier vorbeigefahren?«
»Keine Ahnung.«
»Hatte er denn Zeit dafür?«
»Wahrscheinlich nicht. Aber wir sollten seine Nachrichten trotzdem checken. Weil wir unter diesen Umständen auf Nummer sicher gehen müssen.«
»Die Überprüfung sollten Sie vornehmen. Dies ist Ihr Department. Ich bin nur ein Zivilist.«
Holland sagte: »Ich weiß nicht, wie man das macht. Ich hab’s nie gelernt. Die moderne Technik ist nichts für mich. Ich bin ein Vertreter der alten Schule. Das wissen alle. Ich bin die Vergangenheit. Andrew war die Zukunft.«
Also musste Reacher die Telefonkonsole und die Computertastatur selbst enträtseln. Zum Glück brauchte man keine PIN , keine Passwörter. Alles war für raschen, problemlosen Zugang eingerichtet. Der Anrufbeantworter hatte nur einen Anruf gespeichert, nämlich den von Kim Peterson um kurz nach sechs, als Reacher und ihr Mann zu Janet Salters Haus gefahren waren, nachdem sie sich das Überwachungsvideo aus dem Gefängnis angesehen hatten.
In der Aufzeichnung klang Kims Stimme zugleich ängstlich und tapfer, resigniert und gereizt.
Sie hatte gefragt: »Wann kommst du nach Hause?«
Reacher nahm sich die E-Mails vor. Er öffnete die Anwendung. Zwei Nachrichten wurden heruntergeladen. Die erste kam von der DEA in Washington, D.C. Ein Agent bekräftigte seine Überzeugung, unter der Anlage westlich von Bolton, South Dakota, existiere kein Meth-Labor. Das hatte die eigens angeordnete Satellitenüberwachung bestätigt. Der Agent dankte Peterson für seinen Hinweis und bat ihn, sich wieder zu melden, falls es neue Erkenntnisse gebe.
Die zweite Mail war das allnächtlich in South Dakota verbreitete BOLO -Bulletin der Highway Patrol. Zu den Dingen und Personen, auf die alle Polizeistationen besonders achten sollten, gehörten drei Personenwagen und vier Pick-ups, die an ganz verschiedenen Orten gestohlen worden waren, ein aus einer Stra ßenmeisterei bei Mitchell entwendeter Schneepflug, ein Pumpenwagen Marke Isuzu Serie N und ein Enteisungswagen, die zwei verschwundene Mitarbeiter von einem Flugplatz östlich von Rapid City hatten mitgehen lassen, eine in Pierre gestohlene Schrotflinte Marke Ithaca, vier Verdächtige, die nach einem Einbruchsversuch mit hohem Sachschaden in Sioux Falls mit einem Chevrolet Suburban Baujahr 1979 unterwegs sein sollten, und zuletzt Petersons eigener Beitrag: ein wegen Mordverdachts gesuchter Barkeeper aus Bolton, der einen Ford Pick-up Baujahr 2005 fuhr.
Reacher sagte: »Nichts.«
Holland setzte sich.
»Raus mit der Sprache«, befahl er. »Sagen Sie, was Sache ist.«
»Drei Fragen«, erklärte Reacher. »Wieso hat der Anwalt völlig vertrauensvoll auf der Straße angehalten? Wieso ist Peterson auf dem Parkplatz neben einen anderen Wagen gefahren? Und wieso ist er ausgerechnet heute Nacht ermordet worden?«
»Antworten?«
»Weil der Anwalt es für ungefährlich gehalten hat. Weil Peterson es für ungefährlich gehalten hat. Und weil Sie den Meth-Fund über Funk hinausposaunt haben.«
Holland nickte.
»Der Todesschütze ist einer von uns«, sagte er. »Er ist ein Cop.«
23.55 Uhr.
Noch vier Stunden.
36
Holland und Reacher diskutierten darüber, wie vernünftige
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