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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auf einer der Flügeltüren.
    „Ist's hier?“ fragte Petermann, dessen Herz vor banger Erwartung stürmisch klopfte.
    „Nein“, antwortete Uhland. „Es gibt mehrere Salons. Für Sie ist derjenige der ersten Etage am interessantesten! Gehen wir also nur nach oben!“
    Er verschwieg ihm, daß er ihn deshalb nach dieser Etage führte, weil Magda Weber und Marie Bertram dort nicht zu sehen waren. Daß noch eine dritte aus der Residenz da war, die er kennen konnte, nämlich Valesca Petermann, daran hatte man gar nicht gedacht. Und doch war gerade diese es, welche er suchte.
    In den hell erleuchteten Hauptkorridor der ersten Etage mündete ein schmaler, dunkler Seitenkorridor, in welchem sich einige Türen befanden, nur so breit, daß ein Mann gerade noch zu passieren vermochte. Uhland öffnete eine derselben. Sie traten in ein kleines, schmales Kabinett, dessen Mobiliar in einem Sofa, einem Spiegel, einem Tisch, einigen Stühlen und einem Waschtisch bestand. Von der Decke hing eine grüne Ampel, deren Flamme die Gegenstände kaum zur Notdürftigkeit erhellte.
    „So! Hier sind wir!“ sagte Uhland leise. „Wir dürfen nicht laut sprechen, damit wir nicht gehört werden. Niemand soll wissen, daß wir den Salon von hier aus beobachten. Und da – ah, man ist aufmerksam gewesen – hat man auch schon den Wein besorgt.“
    Auf dem Tisch standen nämlich Flaschen und Gläser.
    „Sechs Flaschen?“ bemerkte Petermann befremdet.
    „Ja. Fräulein Melitta tat es nicht anders. Sechs Flaschen müssen wir trinken. Sie will natürlich an Ihnen wenigstens dasselbe verdienen, was sie an anderen verdient.“
    „Es ist ja auch Champagner dabei?“
    „Wundert Sie das? Nirgends wird so viel Schaumwein getrunken, wie in den Häusern der Liebe. Venus und Bacchus, sie gehören zueinander.“
    „Drei Flaschen Rheinwein und drei Flaschen Champagner. Wie wird da die Rechnung lauten?“
    „Der Rheinwein und der Champagner zwölf Gulden.“
    „Das heißt im ganzen?“
    „Nein, sondern pro Flasche. Wo denken Sie hin? Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß man hier nur zu noblen Preisen trinkt. Setzen Sie sich. Wir wollen zunächst den Rheinwein versuchen.“
    Aber Petermann machte noch nicht von einem Stuhl Gebrauch. Er trat an das Glasfenster der Tür, welche zum Salon führte, und schob den Vorhang um einige Zoll breit zurück.
    Der Raum, welchen er jetzt vor sich sah, war derselbe, in welchem der Baron Franz von Helfenstein die schöne Wally gesehen hatte. Auch jetzt lagen oder lehnten mehrere Mädchen auf den Samtdiwans, Zigaretten rauchend oder Karten spielend und in phantastische, leichte, seidene Fetzen gekleidet. Die Gesichter waren geschminkt und gepudert, um die Zerstörungen des Lasters zu verbergen. In der einen Ecke saßen zwei, welche kauten, die eine Pfefferminzzucker und die andere gebrannte Kaffeebohnen, um den übelriechenden Atem zu verdecken, welcher eine fast unausbleibliche Folge des Lebens ist, welches diese Unglücklichen führen.
    In der entgegengesetzten Ecke saß eine dritte. Petermann konnte sie nicht ganz sehen. Er bemerkte nur, daß sie ein langes, schwarzes, ehrbares Kleid trug, unter dessen Band die Spitze eines kleinen, kleinen Füßchens hervorblickte. Vom Oberkörper sah er nichts als zwei lange, dicke, herrliche Flechten, welche weit herniederhingen. Sie schien das Gesicht der Wand zugekehrt zu haben. Der eine Arm, den sie nach hinten müde herabhängen ließ, war nur bis zum Ellbogen zu sehen. Er war unentblößt, aber das kleine weiße Händchen, welches aus dem Spitzenbesatz des Ärmels hervorschaute, ließ in seiner trotzdem fleischigen Fülle vermuten, daß die Besitzerin auch im allgemeinen voll und schön geformt sei.
    „Wer ist dieses Mädchen?“ fragte Petermann.
    „Welches?“
    „Dort rechts in der Ecke. Man sieht sie kaum halb.“
    Uhland trat an das Fensterchen und blickte hindurch. Es fiel ihm erst jetzt ein, daß Wally doch auch aus der Residenz sei und möglicherweise von Petermann erkannt werde. Darum antwortete er:
    „Sie ist aus dem Gebirge oben, sehr hübsch gebaut, stammt aber aus dem Armenhaus.“
    „Wie heißt sie?“
    „Eigentlich sollte ich nicht darüber sprechen; aber Ihnen gegenüber – na, sie ist eine geborene Meier, ein sehr ordinärer Name; darum nennt man sie hier, um dies auszugleichen, mit dem poetischen Namen Wally.“
    „Hm! Ist Wally nicht die Abkürzung von Valesca?“
    „Weiß nicht. Übrigens ist sie ein obstinates Ding. Die Melitta hat noch keinen

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