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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Etablissement besucht, der darf nicht geizen!“
    „Ich weiß zu leben!“
    „Schön! Aber bedenken Sie, daß an einem solchen Ort der Wein bedeutend teurer ist als anderwärts.“
    „Ich muß mich eben fügen.“
    „Schön! Sobald wir aussteigen, gehen wir hin.“
    „Aber ich belästige Sie! Sie bringen mir da jedenfalls ein Opfer, welches ich Ihnen nicht vergelten kann!“
    „Keineswegs! Ich bin vollständig Herr meiner Zeit und mache es mir zum Vergnügen, Ihnen einen Einblick in das hochinteressante Leben und Treiben eines solchen Tempels der Liebe zu erleichtern. Sie warten in einer benachbarten Restauration, bis ich mit Fräulein Melitta gesprochen habe. Dann hole ich Sie ab.“
    Nach einiger Zeit hielt der Zug in Rollenburg. Die beiden stiegen aus und Uhland fragte:
    „Natürlich nehmen wir eine Droschke?“
    „Wie Sie wollen.“
    Sie fuhren nach der erwähnten Restauration und trennten sich da für kurze Zeit, nachdem Petermann das Fuhrwerk bezahlt hatte. Er ließ sich ein Glas Bier geben, rührte dasselbe aber gar nicht an. Es wäre ihm nicht möglich gewesen, einen Tropfen zu genießen.
    Nach Verlauf einer Viertelstunde kam Uhland zurück und sagte:
    „Es ist mir sehr schwer geworden, die Einwilligung der Dame zu erlangen.“
    „Ich denke, der Zutritt ist jedermann gestattet?“
    „Aber keinem Beobachter! Man läßt sich nicht gern in die Ecken und Winkel gucken.“
    „Und ich darf dennoch kommen?“
    „Dank meiner Fürsprache, ja.“
    Petermann wußte recht gut, daß es nur auf sein Geld abgesehen sei; er ließ sich aber nichts merken und sagte:
    „Nehmen Sie meinen Dank! Und wie steht es mit dem Eintrittsgeld, von welchem Sie sprachen?“
    „Man verlangt zwanzig Gulden; als ich aber meine Gegenvorstellung machte, ging man doch auf zehn herunter; aber dabei bleibt es auch auf jeden Fall.“
    „Ich zahle sie.“
    „Darf ich darum bitten?“
    „Ah! Sollen Sie das Geld kassieren?“
    „Ja.“
    Jetzt war es außer allem Zweifel, daß dieser Rentier ein Schuft war, welcher nur die Absicht hegte, Geld zu verdienen. Nicht die Melitta hatte die zehn Gulden verlangt, sondern er wollte sie für sich haben. Petermann hegte keineswegs die Absicht, sie ihm zu geben, griff aber, anstatt sich direkt zu weigern, zu einer Aushilfe, indem er das Portemonnaie aus der Tasche zog und fragte:
    „Können Sie mir einen Hundertguldenschein wechseln?“
    „Leider nicht. Lassen Sie hier beim Wirt wechseln!“
    Petermann warf einen geringschätzigen Blick durch den kleinen, mehr als einfachen Raum und meinte dann:
    „Das Lokal sieht mir gar nicht danach aus, als ob hier hundert Gulden vorhanden wären. Übrigens müssen wir doch bei der Melitta Wein trinken?“
    „Ja; diese Bedingung hat sie natürlich auch gestellt.“
    „Nun, so werde ich dort zu bezahlen haben und auch dort wechseln lassen. Ein einziges Glas Bier bezahlt man nicht mit so hohen Banknoten. Der Wirt kommt nur in Verlegenheit.“
    „Gut, so geben Sie mir die zehn Gulden später. Ich habe sie der Melitta natürlich vorausbezahlen müssen.“
    „Also gehen wir?“
    „Ja, vorher aber noch eine Bemerkung. Wir gehen nämlich nicht in den Salon, in welchem Herren die Damen zu besuchen pflegen.“
    „Warum nicht?“
    „Sie würden dort Störung verursachen und auch selbst zu sehr inkommodiert sein.“
    „Aber wie will ich da Beobachtungen machen?“
    „Auf viel bequemere Art und Weise. Nämlich an den Salon stoßen einige kleine Kabinette, bestimmt zu Plauderstündchen unter zweien. In eines von ihnen ziehen wir uns zurück.“
    „Was aber soll ich da sehen können?“
    „Das Kabinett ist mit dem Salon durch eine Glastür verbunden. Schieben Sie den Vorhang der letzteren zurück, so können Sie fast den ganzen Salon überblicken; hören aber werden Sie ein jedes Wort, welches gesprochen wird.“
    „Schön! Das lasse ich gelten.“
    „So kommen Sie!“
    Petermann bezahlte sein Bier mit einer Scheidemünze, und dann gingen sie nach dem Haus der Liebe, der Freude und – des Elends, der Verkommenheit und Sklaverei in fürchterlichen Ketten, welche mit Rosen umwunden sind, damit man ihr abschreckendes Klirren nicht vernehmen soll.
    Flur und Treppen waren mit prachtvollen Läufern, welche den Schall der Schritte dämpfen, belegt, Wohlgerüche durchdufteten die Räume, und an den Wänden, selbst an denjenigen der Flur- und Treppenpassage, hingen Bilder, welche darauf berechnet waren, den Sinnen zu schmeicheln.
    Unten stand das Wort ‚Salon‘

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