Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
ein wenig gegenseitig Rücksicht und Aufmerksamkeit schuldig seien.“
    Das klang sehr höflich, aber doch auch wie ein Vorwurf. Darum sagte Petermann in einem freundlicheren Ton:
    „Sie mögen recht haben. Ich war mürrisch. Ich dachte an Geschäfte, und es gingen mir Berechnungen durch den Kopf.“
    „Diese müssen wohl sehr ernst und schwierig gewesen sein, nach Ihrer finsteren Miene zu schließen!“
    „Geschäfte hat man wohl stets ernst zu nehmen.“
    „Ganz richtig. Ich bin das nicht mehr gewöhnt.“
    Er erwartete hierauf eine Bemerkung, da aber Petermann nichts sagte, so fügte er hinzu:
    „Ich habe mich nämlich vom Geschäft zurückgezogen und lebe von meinen Zinsen.“
    „Also Rentier! Gratuliere!“
    „Danke sehr! Ich war nämlich Hotelier.“
    Das war nun freilich eine Unwahrheit. Er sagte es, weil er dachte, daß der andere nun auch sagen werde, was er sei. Petermann fühlte das heraus; er wollte, um nicht unhöflich zu erscheinen, dieser indirekten Aufforderung folgen, doch hielt er es freilich nicht für notwendig, zu sagen, was er sei; darum antwortete er:
    „Ich bin Schriftsteller.“
    Wie er gerade darauf kam, davon gab er sich selbst keine Rechenschaft. Er hatte früher als Inspektor des Herrn von Scharfenberg Beiträge für einige landwirtschaftliche Blätter geliefert; darum wohl war ihm der ‚Schriftsteller‘ auf die Lippen gekommen.
    „Ah!“ sagte Uhland. „Journalist. Dichter! Das ist ein schöner und auch bequemer Beruf, falls man sich nicht durch Übernahme einer Redaktionsstelle abhängig gemacht hat.“
    „Ich bin unabhängig.“
    „Das freut mich. Ich darf nun wohl schließen, daß Sie vorhin über ein neues Buch, ein neues Sujet nachgedacht haben, mein Herr?“
    „Allerdings.“
    „Dann tut es mir leid, Sie gestört zu haben!“
    „O bitte! Ich war soeben mit meiner Idee ins klare gekommen.“
    „Sie kommen aus der Residenz?“
    „Ja.“
    „Darf ich erfahren, wo Sie aussteigen?“
    „In Rollenburg.“
    „Ich auch.“
    „Ah, sind Sie aus Rollenburg?“
    „Ja.“
    „Und dort vielleicht gut bekannt.“
    „Sehr gut.“
    „Dann können Sie mir vielleicht Auskunft geben, so daß ich nicht erst zu fragen brauche. Ich suche nämlich die Wohnung einer Dame, welche sich Fräulein – Fräulein Melitta nennt.“
    Es lag in der Natur der Sache, daß er diesen Namen nur zögernd aussprach. Wer in Rollenberg wohnte, mußte doch das Geschäft kennen, welches diese Dame betrieb.
    Uhland hob schnell den Kopf und sagte:
    „Die kennt jedermann. Sie sind Schriftsteller. In Geschäftsverbindung stehen Sie also doch wohl nicht mit ihr?“
    „Nein.“
    „Sind Sie vielleicht mit ihr verwandt?“
    „Auch nicht.“
    „Ach so! Vergnügen –!“
    Petermann war kein Jüngling mehr; dennoch errötete er.
    „Sie irren sich!“ antwortete er.
    „Kein Geschäft, kein Vergnügen? Was dann?“
    Diese Frage war jedenfalls zudringlich, doch sah Petermann sich dennoch genötigt, eine Antwort zu geben.
    „Sie sprachen vorhin von Geschäftsverbindungen; dies ist allerdings nicht der Fall, obgleich es, streng genommen, eigentlich doch ein geschäftlicher Grund ist, welcher mich veranlaßt, nach dieser Melitta zu fragen.“
    Jetzt kam es ihm gelegen, daß er sich vorhin als Schriftsteller ausgegeben hatte. Er erklärte also:
    „Ich habe nämlich von meinem Verlagsbuchhändler den Auftrag erhalten, ein Buch über das Thema zu schreiben: Die Liebe in ihren sozialen Beziehungen –“
    „Hm, ein hochinteressantes Thema!“
    „Gewiß. Eine solche Arbeit erfordert umfassende Vorstudien. Diese habe ich beendet; nur in einer Beziehung bin ich noch unwissend, nämlich in Hinsicht auf diejenige Liebe, welche sich hingibt, ohne Gegenliebe dafür zu beanspruchen.“
    „Sagen Sie es nur frei heraus! Sie meinen die käufliche Liebe, wie sie in gewissen Häusern zu finden ist?“
    „Ja, diese meine ich. In dieser Hinsicht besitze ich nicht die mindeste Erfahrung.“
    „Ah! Sie wollen nun diese Erfahrung machen und daher Fräulein Melitta aufsuchen?“
    „So ist es.“
    „Hätten Sie in der Residenz nicht mehr Gelegenheit?“
    „Vielleicht. Aber man kennt mich dort. Ich will mich nicht in einem Lokal sehen lassen, welches – Sie werden mich verstehen, ohne daß ich mich deutlicher erkläre.“
    „Gewiß. Ihre Vorsicht ist jedenfalls nicht grundlos. Aber bei der Melitta befinden sich auch Damen, welche aus der Residenz sind!“
    „Ich hielt das für zweifelhaft.“
    „O doch“, antwortete

Weitere Kostenlose Bücher