62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen
Folgen dieser gegenwärtigen Zusammenkunft. Arndt schnitt ihm alle Einwendungen und Bedenken ab, indem er sich zum Gehen anschickte, um sich mit Wilhelmi nach der Mühle zu begeben.
Als sie dieselbe noch nicht einmal von weitem erkennen konnten, hörten sie bereits das laute Klappern.
„Er ist noch wach“, sagte der Musterzeichner. „Er ist ganz glücklich, daß er Arbeit hat.“
Die Tür war von innen verriegelt; sie mußten also pochen. Nicht Wilhelmis Bruder, sondern seine Schwägerin öffnete. Sie leuchtete die beiden mit der Laterne an und sagte im Ton des Erstaunens:
„Du, Schwager? Um Gottes willen! Es ist doch nicht etwa daheim etwas Schlimmes passiert?“
„Nein. Ist der Bruder wach?“
„Ja. Er ist in der Mühle.“
„Rufe ihn! Wir haben mit ihm zu reden.“
„So geht hinein in die Stube! Ich werde ihn holen.“
Als sie dann ihren Mann brachte, machte er ein ebenso erstauntes Gesicht wie vorhin sie. Er betrachtete Wilhelmi und meinte dann im Ton der Erleichterung:
„Gott sei Dank! Ich hatte schon Sorge! Aber du machst ein so glückliches Gesicht, daß ich beinahe denke, es ist dir etwas Gutes passiert anstatt etwas Schlimmes!“
„Du hast recht; du bist überhaupt ein gescheiter Kerl! Ich gestehe, daß mir etwas höchst Glückliches passiert ist. Das werde ich dir auch sofort beweisen. Du hast mir heute zwanzig Gulden besorgt. Hier hast du sie wieder! Gib mir achtzig heraus!“
Er warf seinen Hundertguldenschein mit einer Miene auf den Tisch, als ob ihm solche Papiere nur so zugeflogen kämen.
„Hundert Gulden!“ sagte der Müller. „Mensch, wie kommst du bei deiner Armetei zu diesem Geld?“
„Hier steht mein Kassierer!“
Er zeigte dabei auf Arndt. Der Müller musterte diesen und fragte:
„Dein Kassierer! Rede nicht in solchen Rätseln!“
„Na, das ist doch kein Rätsel, sondern ein sehr selbstverständliches Ding: Dieser Herr hat mir das Geld geschenkt.“
„Geschenkt? Bist du von Sinnen?“
„Ich nicht; vielleicht er, da er es verschenkt hat! Ja, guckt ihn euch nur richtig an! Wißt ihr, wer er ist?“
Und als sie ihm die Antwort schuldig blieben, fuhr er fort:
„Wir haben heute von ihm gesprochen, und als ich ihm von euch erzählte, ist er selbst mit hergekommen.“
Der Müller wußte noch immer nicht, was er denken solle; die Frau Pauline aber wurde von ihrem weiblichen Scharfsinn auf die richtige Spur geführt.
„Ah! Du warst bei dem Herrn Pfarrer?“ fragte sie.
„Noch nicht.“
„Also bei Hausers?“
„Auch nicht.“
„So!“ sagte sie enttäuscht. „Da habe ich mich also geirrt. Ich freute mich bereits, denn ich dachte –“
„Nun, was dachtest du?“
„Du brächtest uns den – den – den Fürsten des Elends.“
„Nun, das ist er ja auch.“
„Mach keinen Spaß! Du bist ja noch gar nicht bei Pastors und Hausers gewesen.“
„Das war auch nicht nötig, denn der Herr kam zu mir.“
Es gab nun eine Erklärung, welche weit kürzer war, als die freudige Aufregung, welche dann folgte. Die brave Müllerin wollte den Tisch decken, natürlich zu Ehren des vornehmen Gastes, und dieser hatte sich alle Mühe zu geben, sie davon abzuhalten. Sie war voller Wonne, als sie hörte, daß der Waldkönig gefangen werden solle. Dadurch kam ja ihr Mann von dem gefährlichen Pacht los. Arndt bat, den Keller sehen zu dürfen, und die Müllerin holte, von ihrem Schwager aufmerksam gemacht, den bereits erwähnten Kammerschlüssel herbei.
Der Keller lag nicht zwischen den Grundmauern des Hauses, sondern er war hinter der Mühle in den Felsen gegraben. Der Schlüssel öffnete das Schloß, und mit Hilfe einer Laterne nahm Arndt den Keller in Augenschein.
Es war ein langer, viereckiger Raum, dessen Wände, Decke und Fußboden ganz aus Felsen bestanden. Arndt sah sich enttäuscht; dennoch untersuchte er jeden Zollbreit des Raums, doch ohne Erfolg.
„Was suchen Sie?“ fragte der Müller.
„Ich hatte eine Vermutung, welche sich leider nicht bestätigt hat. Darum brauchen wir auch nicht weiter darüber zu sprechen. Gehen wir wieder fort.“
„Aber, was raten Sie mir?“
„Lassen Sie die Sache so, wie sie ist. In zwei oder drei Tagen werden wir besser als jetzt wissen, woran wir sind.“
Das war der Bescheid, welchen er geben konnte. Als er dann mit dem Musterzeichner die Mühle verließ, ahnte er nicht, welche Bedeutung dieser Keller, in welchem er heute nichts Auffälliges bemerkt hatte, noch für ihn erlangen werde.
Er ging nochmals mit zu
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