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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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durch Kombination darauf.“
    „Er teilte Ihnen das Nähere über die Wirkung dieses sogenannten Giftes, welches aber kein Gift ist, mit?“
    „Ja. Er konnte meinen eindringlichen Reden ja auf die Dauer nicht widerstehen.“
    „Nun gut, so will ich Ihnen im Vertrauen mitteilen, daß ich höchst wichtige Gründe hatte, meiner Frau für kurze Zeit ihr jetziges Domizil zu geben. Aber in zwei Wochen wird sie dasselbe verlassen.“
    „Genesen?“
    „Vollständig. Sie werden später meine Gründe noch zu würdigen wissen.“
    Der Fromme schien beruhigt zu sein. Seine Miene glättete sich, und er antwortete:
    „Ich hoffe zu Gott, daß er diese Verheißung zur Wahrheit mache!“
    „Und ich bin gerührt über die fromme Teilnahme, welche Sie uns widmen. Ihr Bericht hat mir von neuem bewiesen, in welch eifriger Weise Sie für mich tätig waren, und so will ich Ihnen gern die Versicherung geben, daß ich bereits über eine geeignete Weise, Ihnen dankbar zu sein, nachgedacht habe.“
    Der Schuster fühlte sich tief gerührt. Er ergriff die Hand des Barons, küßte sie und sagte:
    „Ich strebe nicht nach schnöder, irdischer Dankbarkeit, sondern einzig und allein nach Schätzen, welche vom Rost und den Motten nicht gefressen und von den Dieben nicht gestohlen werden. Ihre Anerkennung ist mir mehr wert, als alle Gaben. Haben Sie sonst noch etwas zu befehlen?“
    „Nein. Sie können Ihr Zimmer aufsuchen und sich von der Reise ausruhen. Doch, halt! Heute ist der Abend des Unternehmens im Haingrund. Sie befanden sich noch bei ihrem Bruder, als es besprochen wurde?“
    „Ja.“
    „Winkler war doch wohl selbst da?“
    „Gewiß. Und der andere auch.“
    „Welcher andere?“
    „Ich kenne den Namen nicht. Er hatte auch ein sehr bedeutendes Unternehmen in petto.“
    „Hm! Mir unbegreiflich, wer das sein könnte! Ich weiß es nicht, werde es aber wohl erfahren. Gute Nacht für heute!“
    Der Fromme zog sich mit einem jetzt sehr ehrfurchtsvollen Abschiedsgruß zurück. Kaum war er hinaus, so veränderte sich das Gesicht des Barons in höchst auffallender Weise. Seine Augen sprühten Blitze; seine Brauen näherten sich drohend; seine Zähne knirschten, und seine Fäuste ballten sich.
    „Sklave! Elender!“ stieß er hervor. „Heimtücker und Heuchler! Schlange und Krokodil! Du willst über mich hinauswachsen, weil du denkst, mich in den Händen zu haben! Du sollst dich irren! Ich habe es wohl bemerkt, daß dieser Mensch mich zu umschlingen strebt, wie eine Boa constrictor, um mir dann mit einem einzigen Druck den Garaus zu machen. Jetzt ist er gar in meine Frau verliebt – in die Zofe, bis zum Rasendwerden! Er küßt und schmatzt ihre Photographie, die er sich aus dem Album gestohlen hat. Nun sie im Irrenhaus ist, will er sie befreien! Gut, spiele deine Trümpfe! Den letzten behalte ich doch, armseliger Schuster von der ‚Seligkeit‘ Gnaden!“
    Da wurde die Tür in nicht sehr zarter Weise aufgerissen und ein Diener trat mehr als schnell ein.
    „Was soll's?“ fragte der bereits genügsam zornige Herr. „Wo brennt es denn?“
    „Entschuldigung, gnädigster Herr! Aber dieses Ereignis, diese Neuigkeit!“
    „Was denn?“
    „Sie sind arretiert!“
    „Wer denn?“
    „Die beiden Schmiede!“
    Da fuhr der Graf erschrocken zurück.
    „Weshalb?“
    „Wegen des Leichenraubs.“
    „Donner und Doria! Das ist doch gar nicht möglich!“
    „O gewiß! Der Fürst des Elends hat sie gefangen.“
    „Der Fü – Fü –“
    Das Wort blieb ihm im Munde stecken.
    „Heute ist das Grab geöffnet worden“, fuhr der erregte Diener fort.
    „Welches denn?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Aber wo?“
    „Droben auf dem Kirchhof. Und vorhin haben die Schmiede eine Leiche hineinlegen wollen, sind aber vom Fürsten ertappt worden.“
    „Wer das glauben soll!“
    Und dabei zog er ganz unwillkürlich die Uhr hervor, um nach der Zeit zu sehen. Gerade für jetzt hatte er den Schmied zu einer Unterredung bestellt gehabt.
    „Es ist die Wahrheit!“ versicherte der Diener.
    „Von wem hast du die Nachricht?“
    „Vom Stallmeister. Der ist im Dorf gewesen und hat mit einem der Polizisten gesprochen, die den Gefangenen nachgesetzt sind.“
    „Den Gefangenen nachgesetzt? Wie verstehe ich das?“
    „Herrgott, die Hauptsache habe ich vergessen! Die Schmiede sind nämlich wieder entflohen.“
    „Ah!“
    Das war fast ein Seufzer der Erleichterung zu nennen, den der Baron ausstieß.
    „Ja“, fügte der Diener hinzu, „sie sind kaum fünf

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