Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
und zwei Pulte. Neben einem dieser letzteren, an welchem der unglückliche Schreiber Beyer gearbeitet hatte, sah man einen Schrank, an welchem die Blicke Arndts haften blieben.
    „Was befindet sich in dem Schrank?“ fragte er.
    „Einige Bücher und –“
    „Nun – und?“
    „Und eine Klingel.“
    „Wozu diese letztere?“
    „Ich weiß es nicht. Sie muß schon dagewesen sein, bevor wir hier einzogen.“
    „Haben nicht Sie das Haus neu gebaut?“
    „Ja.“
    „Wie kann da diese Klingel vorher dagewesen sein.“
    „Diese Stube war bereits im alten Haus, und mein Mann hat sie beibehalten.“
    „Ach so! Sie haben es oft klingeln hören?“
    „Niemals!“
    „Hm! Öffnen Sie!“
    „Ich habe keinen Schlüssel.“
    „So, so! Da werden wir uns selbst helfen müssen. Es ist keine Zeit vorhanden, einen Schlosser zu holen.“
    Er nahm ein eisernes Lineal, welches auf dem Schreibtisch lag, und sprengte damit die Tür des Schranks auf. An der hinteren Wand desselben gewahrten sie eine Klingel und einen Klingelzug, ganz so wie in der Stube des Nachtwächters Laube.
    „Richtig!“ sagte der Staatsanwalt. „Dieser Klingelzug hier bewegt die Klingel des Wächters, und dessen Klingelzug setzt diese Klingel hier in Bewegung. Man braucht gar keine Probe anzustellen. Aber die beiden Drähte unter der Erde nach dem Kohlenschuppen zu leiten, das muß sehr schwierig gewesen sein.“
    „Nicht sehr!“ antwortete Arndt.
    „Sie vergessen, daß diese Vorrichtung Geheimnis bleiben mußte. Wie hat man die Drähte legen können, ohne daß es von den Leuten bemerkt worden ist?“
    „Man hat sie nicht gelegt, sondern gezogen.“
    „Wie meinen Sie das? Beides ist wohl gleich.“
    „O nein! Die Leitung in die Erde zu legen, das wäre allerdings aufgefallen. Man hat sie gezogen, nämlich durch einen Raum, der bereits vorhanden war.“
    „Welcher Raum sollte das sein?“
    „Jedenfalls ein Stollen, auf welchem dieses Haus steht und welcher nach dem Kohlenwerk läuft.“
    „Sollte es wirklich einen solchen geben? Anzunehmen ist es allerdings.“
    „Es ist jedenfalls einer da.“
    Und sich an die Frau wendend, fragte er:
    „Gibt es hier einen unterirdischen Gang?“
    „Nein.“
    „Sie lügen!“
    Sie errötete, aber sie schwieg. Darum fuhr Arndt fort:
    „Haben Sie teil an dem, was Ihr Mann und Ihr Sohn taten, so wird heute die Strafe kommen. Ich will nicht Ihr Richter und auch nicht Ihr Ankläger sein. Sie sollen nicht gezwungen werden, etwas zu verraten. Aber sagen Sie uns einmal, welcher Raum sich hinter diesem Zimmer befindet. Ich meine nämlich hinter dieser Mauer, an welcher der Schrank steht.“
    „Die Kellertreppe.“
    „Schön! Jetzt, Herr Staatsanwalt, wäre es von großem Vorteil, wenn wir Eduard Hausers Rock und die Spitzen hier bei uns hätten.“
    Der Staatsanwalt lächelte selbstbewußt und antwortete:
    „Glauben Sie, daß ich nicht daran gedacht habe? Das, was Sie haben wollen, befindet sich hier. Geben Sie her!“
    Diese letzten Worte waren an einen der Gendarmen gerichtet, welcher ein Paket trug und dasselbe jetzt dem Staatsanwalt überreichte.
    „Hier sind die Spitzen mit dem Rock“, sagte der letztere.
    „Sehr gut“, meinte Arndt im Ton der Befriedigung. „Jetzt, Frau Seidelmann, führen Sie uns einmal nach dem hinteren Zimmer der oberen Etage!“
    Die Frau mußte gehorchen. Oben angekommen, wurde sie von Arndt gefragt:
    „Gibt es hier vielleicht ein heimliches Versteck?“
    „Wozu sollte das sein? Ich kenne keines.“
    „So werden wir uns abermals selbst helfen.“
    Er stieg auf einen Stuhl und nahm das Bild herab, hinter welchem das Versteck sichtbar wurde.
    „Haben Sie das wirklich nicht gewußt?“
    „Nein.“
    „Es ist gleichgültig, ob ich Ihnen das glaube oder nicht. Sehen wir einmal, was da zu finden ist!“
    Er griff in die Öffnung und langte zunächst einen kleinen, dunklen Gegenstand hervor.
    „Ah! Ein Knäuel von schwarzem Zwirn! Wie klug, und doch auch wieder wie dumm von Herrn Fritz Seidelmann! Und hier sind auch die Spitzen. Lassen Sie uns vergleichen!“
    Er stieg wieder vom Stuhl herab, und bald zeigte sich, daß der Zwirn ganz derselbe war, mit welchem man den Schnitt im Futter des Rocks zugemacht hatte.
    „Und nun die Spitzen!“ meinte der Staatsanwalt.
    Da, wo diese letzteren zerschnitten worden waren, paßten sie so genau zusammen, daß gar kein Zweifel möglich war.
    „Sie feiern da allerdings einen großen Triumph, Herr Arndt“, sagte der Staatsanwalt. „Es ist

Weitere Kostenlose Bücher