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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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den Gang zu verschütten, eine Mine entladen. Das vermute ich. Dabei aber ist er selbst von dem hereinbrechenden Gestein getroffen worden.“
    „Dann schnell vorwärts!“
    Sie eilten weiter. Von Sekunde zu Sekunde wurde das Geheul fürchterlicher. Die brüllende Stimme war ganz heiser und machte in dieser Umgebung einen doppelt schauerlichen Eindruck, so daß den Hörern die Haare zu Berge hätten steigen mögen.
    „Hilfe, Hilfe!“ brüllte es!
    Aber dieses Wort wurde so hinausgeschrien, daß es in Buchstaben gar nicht wiedergegeben werden kann. Die erste Silbe klang kurz und quiekend, während die zweite wie ein langes Äh hinausgedehnt wurde, ungefähr wie Hilfäääähhh! Der, welcher in dieser Weise schrie, mußte sich in größter Not befinden oder die fürchterlichsten Schmerzen leiden.
    Arndt, welcher mit seiner Laterne voran war, beschleunigte seine Schritte soviel wie möglich.
    „Wir kommen, wir kommen!“ rief er laut.
    „Endlich! Endlich!“ antwortete es.
    Dann ging das Geschrei in ein herzzerreißendes Stöhnen über.
    Nach kurzer Zeit blieb Arndt halten. Der Stollen war verschüttet, er konnte also nicht weiter. Das Stöhnen war verstummt. Er leuchtete auf den Boden nieder und stieß einen Ruf des Entsetzens aus.
    „Herr im Himmel! Ein Mensch verschüttet!“
    „Bis an die Brust!“ fügte der Förster hinzu. „Wer mag es sein? Man kennt ihn gar nicht. Das ganze Gesicht ist blau angeschwollen.“
    „Jedenfalls Fritz Seidelmann. Schnell Hacke und Schaufel her!“
    Sie begannen wortlos zu arbeiten. Erde, Schutt und Steine flogen nur so von dem halb Begrabenen hinweg. Dieser war still geworden. Er hatte die Besinnung verloren.
    Es dauerte aber doch fast eine halbe Stunde, ehe es gelang, seinen Körper ganz freizubekommen.
    „Nun zunächst, wer ist es?“ fragte der Staatsanwalt.
    „Jetzt nicht; jetzt nicht“, antwortete Arndt.
    „Warum nicht?“
    „Ich habe nichts gesagt, um die Rettung nicht zur Unmöglichkeit zu machen. Aber sehen Sie nicht das Gestein nachbröckeln?“
    „Herrgott, ja! Wir selbst befinden uns in größter Gefahr, verschüttet zu werden. Schnell zurück, schnell!“
    Der Ausgegrabene wurde angefaßt, und dann flohen sie so weit von der Unglücksstelle, bis die Beschaffenheit des Stollens Sicherheit gab, daß nichts mehr zu befürchten sei. Dort legten sie den besinnungslosen Körper nieder und leuchteten ihm ins Gesicht.
    „Ganz dick angeschwollen und schwarzblau!“ sagte der Förster. „Gerade wie einer, den der Teufel geholt hat!“
    „Er sieht allerdings gräßlich aus“, stimmte Arndt bei; „aber es ist ganz sicher Fritz Seidelmann.“
    „Lebt er noch?“
    „Ja. Die Brust bewegt sich, und der Atem geht. Aber – schrecklich – beide Beine sind ihm zermalmt.“
    „Recht so!“ brummte der Förster. „Das hatte er Ihnen zugedacht, Vetter Arndt!“
    „Still, Alter! Wer Sie so sprechen hört, der muß denken, daß Sie weder Gefühl noch Religion im Herzen haben.“
    „Hm! Es fuhr mir so heraus. Der liebe Gott ist ein gerechter Richter. Das zeigt er hier aufs deutlichste. Was machen wir mit dem Menschen?“
    „Wir tragen ihn in das Haus. Seine Mutter braucht ihn nicht sofort zu hören. Gehen Sie voran, Vetter Wunderlich, und sagen sie dem Gendarm, daß er sich mit ihr in die Schreibstube zurückziehen soll. Dann laufen Sie nach dem Schacht und holen den Arzt!“
    So geschah es. Fritz Seidelmann wurde nach der hinteren Oberstube getragen, in welcher die Spitzen versteckt worden waren, und dort niedergelegt. Er regte sich nicht, holte aber leise Atem. Dicker Schaum stand vor seinem Mund.
    „Jetzt sind wir hier eigentlich überflüssig“, sagte der Staatsanwalt. „Meinen Sie nicht?“
    „Nein. Ich meine im Gegenteil, daß unsere Gegenwart hier sehr nötig ist“, antwortete Arndt.
    „Warum?“
    „Ich vermute, daß dieser Verwundete die Besinnung wieder erlangen wird, nur um nach wenigen Augenblicken zu sterben. Diese Augenblicke müssen wir benützen. Vielleicht sagt er noch einige Worte, welche von Wichtigkeit sind.“
    Sie warteten schweigend. Es herrschte die Stille des Todes in der Stube. Wunderlich hatte recht. Gott hatte gerichtet. Als Fritz Seidelmann den Gedanken gefaßt hatte, die Mine zu entzünden, hatte er gewünscht, daß sein Verfolger so lange wie möglich die höchsten Qualen zu erdulden habe. Sein Wunsch war auf ihn selbst zurückgefallen.
    Endlich hörte man Schritte auf der Treppe. Förster Wunderlich brachte den Arzt.
    „Es ging

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