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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bringen?“
    Er nickte.
    „Und wünschen Sie, daß Angelika Hofmann wegen des Schusses auf Sie bestraft werde?“
    Er schüttelte mit dem Kopf.
    „So will ich als Christ wünschen, daß Gott Ihnen verzeihen möge. Sie haben schwer gefehlt. Dem irdischen Richter entgehen Sie; dem himmlischen können Sie nicht entgehen. Doch wissen wir alle, daß er gnädig und barmherzig ist. Haben Sie noch einen Wunsch?“
    Er nickte zweimal hintereinander.
    „Welchen? Vielleicht errate ich ihn.“
    Der Sterbende richtete seine blutunterlaufenen Augen nach der Tür, als ob er von dort jemand erwarte.
    „Ah, Sie wünschen, Ihre Mutter zu sehen?“
    Ein Schütteln war das Zeichen der Verneinung.
    „So wollen Sie eine andere Person sehen. Ich werde Ihnen mehrere nennen und dann –“
    Er hielt inne, denn Seidelmann machte eine Bewegung mit den Armen, als ob er sich aufrichten wolle. Seine Augen rollten; seine Lippen verzogen sich, und da – da gelang es ihm, wenn auch röchelnd, aber doch die Worte hervorzustoßen:
    „Vater – tot?“
    „Ja.“
    „Erschossen –? Hauptmann –?“
    „Ja, der Hauptmann hat ihn erschossen. Draußen am Waldrand liegt die Leiche.“
    „Hauptmann – gefangen?“
    „Nein.“
    „Entkommen?“
    Sein ganzer Körper, soweit er nicht zermalmt war, begann zu beben. Sein Gesicht, so bereits entstellt genug, nahm einen geradezu unbeschreiblich gräßlichen Ausdruck an. Er schnappte nach Luft, ballte die zerquetschten Fäuste und schrie:
    „Hauptmann – verdammt sei – ewig – Fluch – Fluch – Hölle – Fluch!“
    Der Kopf fiel ihm nach hinten. Ein Blutstrahl schoß aus seinem Mund – ein sägendes Röcheln – ein konvulsivisches Zucken – dann war es aus.
    Die Anwesenden holten tief, tief Atem.
    „Herrgott!“ stöhnte der alte Förster. „Wer eines solchen Todes sterben muß! Der Herr behüte uns in Gnaden!“
    „Er hat wenigstens noch Reue gezeigt“, sagte der Staatsanwalt. „Er hat die Wahrheit gestanden.“
    „Das beabsichtigte ich“, bemerkte Arndt. „Hoffentlich werden Sie die Güte haben, Ihre drei Gefangenen zu entlassen.“
    „Sobald ich nach Hause komme und die Bürostunden begonnen haben. Aber bitte, Herr Arndt, was war das denn mit dem Hauptmann, der Seidelmann erschossen hat.“
    „Eine Vermutung.“
    „Oh, Ihre Vermutungen scheinen stets Gewißheiten zu sein. Wen aber meinen Sie mit diesem Hauptmann?“
    „Davon später! Jetzt wollen wir uns dem Augenblick nicht entziehen. Wie steht es mit Frau Seidelmann? Werden Sie sich vielleicht ihrer versichern?“
    „Wie denken Sie darüber?“
    „Ich halte es nicht für nötig. Die Ärmste hat zwei Tote; ist sie schuldig, so ist sie hart genug bestraft. Übrigens, wenn Sie ihrer bedürfen, wird sie zu erlangen sein. Schließen wir hier zu und begeben wir uns nach dem Schacht. Dort sah ich den Pfarrer. Ihm geben wir den Schlüssel; er mag dann kommen und die Frau auf das, was ihrem Mann und Sohn geschehen ist, vorbereiten.“ –
    Am anderen Morgen, als die Zellentüren des Gefängnisses geöffnet wurden, damit die Insassen ihre Morgensuppe erhalten sollten, wunderte sich Eduard Hauser nicht wenig, als der Wachtmeister sagte:
    „Ihre Suppe essen Sie bei mir.“
    „Warum?“
    „Das werden Sie hören. Kommen Sie!“
    Als er in die Wohnung des Beamten eintrat, entfuhr ihm ein Ruf der freudigsten Überraschung:
    „Engelchen! Du hier?“
    „Eduard! Du?“
    Sie sprang von ihrem Stuhl auf und eilte ihm entgegen. Sie hatte sich allein im Zimmer befunden, und da der Wachtmeister mit Eduard nicht eingetreten war, so befanden sich die beiden Liebenden ganz allein. Engelchen warf Eduard die Arme um den Hals, legte den Kopf an seine Brust und sagte:
    „Ach, was habe ich für Angst um dich gehabt!“
    „Um mich?“
    „Ja.“
    „Und ich um dich!“
    „Nicht um dich selbst?“
    „Nein. Um mich brauche ich keine Sorge zu haben, denn ich bin unschuldig. Du aber hast geschossen. Herrgott, was soll daraus werden! Ich konnte nichts anderes tun, als Gott recht innig bitten, daß er die Herzen der Richter lenken möge! Warum aber holt man uns hierher?“
    „Ja, warum?“
    „Hat man es dir nicht gesagt?“
    „Nein. Die Wachtmeisterin holte mich und sagte, ich solle heute die Morgensuppe hier essen.“
    „Höre, Engelchen, das scheint ein sehr gutes Zeichen zu sein.“
    „Meinst du?“
    „Ja, gewiß! Man pflegt in einem Gefängnisse Liebesleuten, welche unter Anklage stehen, nicht Zusammenkünfte unter vier Augen zu

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