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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein Glück!“
    „Ein Glück gibt es für mich nicht mehr, Herr Anwalt.“
    Arndt kannte die Verhältnisse. Er sah es auch ihrer Körperbildung an, daß ihre Stunde nahe sein müsse. Ihn dauerte das brave Mädchen, darum sagte er begütigend:
    „Fassen Sie Mut! Noch gehört ja das ganze Leben Ihnen. Und ich werde für Sie ebenso sorgen wie für diese zwei hier! Ja“, fügte er hinzu, sich an Eduard wendend, „Sie werden in Zukunft ein reicher Kaufmann sein!“
    „Ich? Wieso?“ fragte Eduard erstaunt.
    „Nun, die beiden Seidelmanns sind ja tot. Das Geschäft muß fortgeführt werden. Die armen Weber müssen doch einen Verleger haben. Dazu paßt keiner besser als Sie!“
    „Ich? O nein. Dazu gehört Geld oder Kredit bei den großen Fabrikanten.“
    „Geld haben wir, und Kredit verschaffen wir uns auch. Morgen suchen wir die Fabrikanten auf, mit denen die beiden Seidelmanns in Geschäftsverbindung gestanden haben; sie werden mit Ihnen keinen schlechten Tausch machen.“
    „Mein Heiland! Ist das wahr?“
    „Freilich. Jetzt aber fahren wir nach Hause. Der Schlitten wartet unten. Ich bringe euch im Triumph heim, und wir wollen sehen, ob der alte Starrkopf, der Hofmann, auch jetzt noch den Seidelmann seinem braven Nachbarssohne vorzieht!“
    Da konnte Eduard sich nicht mehr halten; er zog sein Engelchen an sich und sagte:
    „Siehst du, Engelchen, daß der alte Gott noch lebt! Herr Arndt ist sein Engel! Was er verspricht, das hält er. Wir werden glücklich sein!“
    Die drei wurden vom Staatsanwalt mit einem herzlichen Händedruck entlassen und stiegen mit Arndt in den unten wartenden Schlitten. Arndt hatte bereits mit dem alten Hofmann gesprochen, welcher sein Unrecht einsah und seine Tochter mit väterlicher Zärtlichkeit empfing. Wie Eduard von seinen Eltern bewillkommnet wurde, braucht gar nicht beschrieben zu werden.
    Auguste war mit bei Hausers eingetreten, um ihre Geschwister zu begrüßen. Sie sagte kein Wort. Sie konnte nur weinen. Arndt legte ihr die Hand auf den Kopf und sagte:
    „Für Sie ist auch gesorgt. Einstweilen fahren Sie mit mir in das Forsthaus. Frau Barbara freut sich außerordentlich, Sie bei sich zu sehen.“
    Als sie dann am Gottesacker vorüberfuhren, bat Auguste, für einige Augenblicke aussteigen zu dürfen, um das Grab ihrer Eltern zu sehen. Er selbst führte sie hin, um es ihr zu zeigen. Sie warf sich in den Schnee nieder und weinte zum Herzbrechen. Er ließ sie einige Zeit gewähren und sagte dann:
    „Beruhigen Sie sich nun, liebes Kind. Ihren Eltern ist es wohl, denn ihre Sorgen sind gestillt, und sie ruhen aus von ihrer Arbeit. Ihr Segen gehört auch Ihnen!“
    „Aber meine Sorgen sind nun doppelt groß!“ weinte sie.
    „Ich sagte bereits, daß ich für Sie sorge!“
    Sie schüttelte langsam und traurig den Kopf und sagte:
    „Und doch wäre es für mich am allerbesten, wenn ich da unten bei Vater und Mutter läge!“
    „Dieser Gedanke ist Sünde! Kommen Sie!“
    Als Mutter Barbara das Schellengeläute hörte, eilte sie an die Tür. Sie kam die Stufen herab und hob das Mädchen aus dem Schlitten.
    „Willkommen, herzlich willkommen, Kind!“ sagte sie. „Wir wollen sehen, ob wir das gutmachen können, was andere an dir verbrochen haben. Komm herein!“
    Auch der Förster kam ihr väterlich entgegen. Sie taten alles, um sie aufzuheitern und Lebenshoffnung in ihr zu erwecken. Sie aber blieb traurig.
    Sie erhielt ein Stübchen angewiesen, wo sie den Tag über blieb. Nur erst zum Abendessen ließ sie sich sehen, aß aber nur ganz wenig und kehrte dann in ihr Stübchen zurück.
    Dort saß sie am Fenster und blickte weinend zu den Sternen des Himmels empor. Sie hörte die anderen schlafen gehen. Sie fühlte sich so allein; es war ihr so weh um das Herz. Auch war sie körperlich so ermüdet, als ob sie lange, lange Zeit Tag und Nacht gelaufen sei. Es wurde ihr übel; es kam über sie wie Fieberschauer. Es litt sie nicht in dem Stübchen. Sie verließ dasselbe, stieg die Treppe hinab und öffnete leise die Haustür. Sie wollte zu den Eltern. Sie wollte noch einmal am Grab des Vaters und der Mutter beten und dann sehen, ob sie sich mit ihrem Schicksal auszusöhnen vermöge.
    In der Nacht hörte der Totengräber ganz eigentümliche Töne. Er weckte seine Frau.
    „Horch! Was ist das?“
    „Ein kleines Kind schreit.“
    „Aber auf dem Gottesacker? Da ist etwas passiert! Brenne die Lampe an! Wir müssen nachsehen!“
    Die beiden Leute kannten keine Furcht. Die Kinderstimme war zwar

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