63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
ihm das Zeichen gibt.“
„Kennen Sie dieses Zeichen?“
„Ja. Die zwei, welche ich belauschte, teilten es sich mit. Nämlich man nimmt einen Spazierstock mit, hält ihn locker und zwar so in der Hand, daß er unten über das Pflaster streift, und summt dabei halblaut die Melodie des Gaudeamus igitur vor sich hin.“
„Dann kommt er?“
„Ja.“
„Welch eine Unvorsichtigkeit, meine Herren!“
„Wie denn Unvorsichtigkeit?“
„Auf diese Weise ist er doch ganz leicht zu fangen!“
„Das denken Sie nur! Haben Sie um den Hauptmann keine Angst! Der weiß schon, was er zu tun und zu lassen hat. Der läßt sich nicht fangen. Herr Kantor, Sie haben Karten zu mischen!“
Es war jetzt auf sehr schlaue Weise alles gesagt worden, was gesagt hatte werden sollen, und da der Polizist sich denken konnte, daß die beiden noch einiges unter vier Augen zu besprechen haben würden, so erklärte er, daß seine Zeit nun abgelaufen sei, und bezahlte seinen Wein. –
Der Nachmittag verging, und der Abend brach herein. Bereits am Morgen war kein Billet für die heutige Vorstellung im Residenztheater mehr zu haben gewesen, und eine Stunde vor Öffnung der Räume waren die Eingänge von außen von Menschen besetzt.
Die Leda rüstete sich zur Feier ihres heutigen großen Triumphes. Es war ihr von Herrn Léon Staudigel mittels eines Handbillets mitgeteilt worden, daß bei mehreren Gärtnereien riesige Buketts bestellt worden seien, und so schwelgte sie schon im voraus in dem Entzücken, welches ihrer auf alle Fälle wartete.
Eben legte sie den Mantel um, um sich mit ihrer Mutter nach dem Theater zu begeben; da trat der Kellner ein und sagte, daß ein Fremder die Damen sprechen wolle. Die Leda gab die Erlaubnis, und der Angemeldete trat ein. Es war ein alter Mann, der aber noch ganz rüstig aussah. Seine Kleidung war weder fein noch das Gegenteil, sein Gruß weder sehr höflich noch auch unehrerbietig.
„Was wollen Sie?“ fragte die Leda.
„Zunächst muß ich mich Ihnen vorstellen“, sagte er.
„Machen Sie es kurz! Wir müssen fort.“
„Schön, Fräulein! Ich bin nämlich Künstler, das heißt, Seilkünstler, ich laufe Drahtseil, das heißt, ich lief Drahtseil, denn jetzt bin ich zu alt dazu –“
„Was geht uns das an!“ unterbrach ihn die Leda.
„Eigentlich wenig. Aber als Künstler komme ich mit anderen Künstlern und Künstlerinnen in Berührung, und unter diesen letzteren befindet sich eine Freundin von mir, in deren Auftrag ich zu Ihnen komme.“
„Wen meinen Sie?“
„Die Riesin Bormann.“
Man sah es ebenso ihr als auch ihrer Mutter an, welchen Eindruck dieser Namen auf sie machte. Sie erschraken beide auf das heftigste. Die Tochter faßte sich am schnellsten:
„Ich wüßte nicht, was sie von mir wollte!“ sagte sie.
„Sie kennen die Riesin doch?“
„Ich habe sie einmal gesehen.“
„So! Hm! Darf ich fragen, wo?“
„Was geht Sie das an?“
„Ich habe doch vielleicht Grund, mich dafür zu interessieren. Zunächst aber bin ich als Bote der Riesin da. Sie läßt nämlich fragen, ob Sie das Geld umtauschen wollen?“
„Welches Geld?“
„Jene zwei Fünfhundertguldenscheine.“
„Ich weiß nicht, was Sie meinen!“
„Desto besser weiß die Riesin, was sie verlangt.“
„Wo ist sie denn gegenwärtig?“
„Hier in der Residenz.“
„Lüge!“
„Pah! Was ich sage, ist die Wahrheit.“
„Beweisen Sie es!“
„Ich habe den Beweis mit.“
Er hatte ein Paket in der Hand getragen. Er öffnete es und nahm ein Buch aus dem Umschlag.
„Hier, lesen Sie!“
Es war das Fremdenbuch des Gasthofs, in welchem die Riesin gestern mit ihrer Mutter eingekehrt war. Er schlug die betreffende Stelle auf und zeigte sie mit dem Finger an.
„Wahrhaftig!“ rief die Leda, als sie es gelesen hatte.
„Sie sehen, daß ich Sie nicht belüge. Also, sagen Sie mir, welche Antwort ich Fräulein Bormann bringen soll!“
„Ich habe ihr nichts zu antworten. Ich habe niemals etwas mit ihr zu schaffen gehabt!“
„Auch nicht, als Sie sich noch Editha von Wartensleben nannten?“
„Diesen Namen kenne ich nicht.“
„Desto besser aber kennt man Sie. Soll ich einen gewissen Petermann bringen?“
„Sie faseln!“
„Einen gewissen Hausmann Kreller, der Sie bediente?“
„Sie phantasieren wirklich!“
„Oder eine gewisse Laura Werner, welche Ihretwegen unschuldig verurteilt wurde?“
„Herr Schulze, machen Sie, daß Sie fortkommen!“
„Oder soll ich einen Herrn Baron von Helfenstein
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