63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
genug zurück, um mit nach dem Bellevue zu fahren. Brechen wir jetzt auf!“ –
Im Foyer des Residenztheaters saß Max Holm in einer sehr leicht erklärlichen Aufregung. Der Kampf zwischen den beiden Rivalinnen sollte beginnen. Er empfand eine förmliche Angst vor den nächsten zwei Stunden.
Er hörte, daß die Ouvertüre bereits begonnen hatte, und doch wartete er vergebens auf – nein, nicht vergebens: da kam er ja, der Fürst von Befour. Er ließ sich an dem Büffet ein Glas Wein geben, trank es aus und trat dann zu Holm, der ihm entgegenging.
„Ist's gelungen, Durchlaucht?“ fragte er.
„Ich bin überzeugt.“
„Daß sie nach der Scheune gehen werden?“
„Ja. Ich möchte darauf schwören, daß sie sofort nach der ersten Vorstellung den Platz durch den kleinen Ausgang verlassen. Die Polizei ist bereits auf dem Posten. Und Sie?“
„Alles bereit.“
„Dieser famose Paukenschläger?“
„Nimmt sich allerliebst aus. Man muß ihn für eine Dame halten. Mein alter Papa Werner steht auf der Lauer, ihn am rechten Augenblick auch richtig zu placieren.“
„Und der Ballettmeister nebst der Frau des Claqueurs?“
„Der Wagen wird mich zur festgesetzten Zeit erwarten.“
„Haben Sie den Wirt des Bellevue benachrichtigt?“
„Natürlich! Er selbst ist herzlich gespannt auf den Spaß!“
„So wollen wir unsere Plätze aufsuchen. Ich höre bereits Musik. Die Ouvertüre ist im Gang.“
Als Holm in die vergitterte Loge des Kommissionsrats eintrat, wendete sich dieser schnell zu ihm um.
„Mein Gott, wo bleiben Sie denn?“ sagte er. „Ich bin beinahe wie im Fieber. Wer wird siegen?“
„Die Amerikanerin.“
„Wirklich?“
„Ja. Man hat dafür gesorgt.“
„Gut, gut! Schön! Hören Sie, die Schlußakte! Der Vorhang wird sich gleich erheben!“
Sie setzten sich an das Gitter. Wohl noch selten hatte der Raum eine solche Menge Zuschauer gefaßt, wie heute. Sogar in den Gängen standen sie, Kopf an Kopf, eng aneinander.
Jetzt rollte der Vorhang langsam auf. Die Szene stellte eine felsige Partie vor, in deren Mitte sich eine tiefe, dunkle Grotte öffnete. Rechts und links neigten sich schlanke, helle Elfengestalten in den Hüften. Am Himmel begannen die Sterne zu glänzen, und der Vollmond verkündete sein Nahen durch einen jetzt noch schwachen, unbestimmten Schein, welcher über der Szene zitterte.
Da ward es im Hintergrund der Grotte hell. Die Königin der Nacht erstand in derselben. Bereits waren die Umrisse ihrer vollen, üppigen Gestalt zu erkennen. Sie kam weiter und weiter hervor, je höher der Mond emporstieg, und da – da stand sie nun im Freien, von seinem silberhellen Schein bestrahlt.
Aus dem dunklen, mit goldenen Sternen besäten Schleier, welcher von ihrem mit einer Krone geschmückten Haupt wallte, stachen die in fleischfarbige Trikots gekleideten Formen hervor. Und diese Formen bekamen jetzt Bewegung.
Bei ihrem Erscheinen hatte sich ein Beifallssturm erhoben, der gar nicht enden wollte. Glaubte man, daß er zu Ende sei, so begann er von neuem.
„Gemacht, künstlich gemacht!“ sagte der zornige Kommissionsrat. „Das ist die Claque, die Bestie!“
Und nun tanzte sie. Aber von einer Charakteristik, von einer durchdachten Durchführung eines mit Ernst aufgefaßten Grundgedankens war keine Rede.
Und dennoch hielt der Applaus während des ganzen Aktes und auch während des zweiten an, so daß man nicht sagen konnte, ob man Musik gehört habe oder nicht.
Am Schluß dieses zweiten, letzten Aktes regnete es von allen Seiten Blumen und Buketts, und der Jubel des durch die Claqueurs mit fortgerissenen Hauses war ein frenetischer, ein betäubender zu nennen.
„Rücksichtslos und im höchsten Grad unartig!“ zürnte der Kommissionsrat. „Was sagen Sie dazu, Herr Doktor?“
„Staudigels Werk!“
„Ganz richtig! Und dazu zwei Wagenladungen voll Blumen! Das ist Unsinn! Das ist sogar Blödsinn!“
Endlich fiel der Vorhang. Hinter demselben wurde die Leda von allen Seiten beglückwünscht. Sie schien in einem Meer von Wonne zu schwimmen, hatte sich aber trotzdem ganz ungewöhnlich bald in ihre Garderobe zurückgezogen, und bei den Vorbereitungen zur Wiederholung des Stückes bemerkte es niemand, daß sie mit ihrer Mutter durch die hintere, schmale Treppe entschlüpfte. Draußen aber, als die beiden ins Freie traten, wurden sie von wachsamen Leuten sofort bemerkt, welche bereits auf sie gewartet hatten.
Unterdessen hatte die Musik wieder begonnen, und aller Augen richteten
Weitere Kostenlose Bücher