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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich voller Spannung auf den Vorhang.
    Endlich stieg er empor. Dieselbe Szene wie vorher; dieselbe Gruppierung von Elfen und Nymphen. Auch jetzt begann es im Innern der Grotte zu dämmern, und die Königin trat hervor. Aber welch eine andere Königin war diese jetzt!
    Nicht schwarz ging sie, sondern in weiße, duftige Wolken gehüllt, wie die Federwölkchen über den nächtlichen Himmel gleiten. Die herrlichen Glieder waren züchtig verhüllt, und um diese duftigen Wolken wallte der durchsichtige Schleier von jenem tiefen Blau, welches dem Himmel der letzten Herbstnächte eigen ist.
    Nichts von Sternen und Flittergold! Aber überall, allüberall an dieser entzückend schönen Gestalt flimmerte und brillierte es in echtem Glanz. Das waren die Brillanten, welche Millionen kosteten.
    Bei ihrem Erscheinen war es einen Augenblick lang still, tief still gewesen; dann aber brach ein Beifall los, der ein zu natürlicher war. Sie verneigte sich würdevoll um zu danken, aber sofort zuckte auch das schöne, unter tausend Smaragden und Rubinen leuchtende Haupt empor. Man hatte einen scharfen, schrillen Pfiff gehört. Ihm folgte einer und noch einer. Plötzlich pfiff es an zehn, zwanzig, vierzig Punkten; ein teuflisches Zischen und Klopfen kam dazu, und der Beifall war übertönt.
    Ellen stand bewegungslos. Sie zuckte mit keiner Wimper. Sie wartete, bis sich der wüste Lärm gelegt haben werde. Auch die Musik schwieg.
    So verging eine ganze Weile, bis endlich der Taktstock wieder das Zeichen dazu gab. Kaum aber wollte Ellen beginnen, so brach der Spektakel von neuem los.
    So ging es dreimal, viermal. Sie verlor weder ihre Fassung, noch ihre Geduld. Dadurch ermüdete sie die Claqueurs, und so kam es, daß sie schließlich doch beginnen konnte.
    Aber welch ein Tanz war das! Jedes Glied an ihr war eine Gewißheit des Sieges. Ihr Körper war bewegt, aber nicht im Ballett. Nicht er tanzte, sondern ihre Seele hatte sich seiner bemächtigt zur Offenbarung der Geheimnisse, welche im Schleier der Nacht der Erlösung entgegenharren. Das war – halt! Warum horchte sie jetzt plötzlich auf? Warum richteten sich ihre dunklen, leuchtenden Augen so durchbohrend nach dem Orchester?
    Und wieder begann sie, umschwebt von der Schar der Elfen; aber sofort auch fuhr sie wieder zur Seite und ließ die bereits erhobenen Arme sinken. Dadurch kamen die Elfen aus dem Takt. Sie warf den Kopf zur Seite und riß sich den Schleier vom Haupt herab. Sie hatte aufgehört zu tanzen.
    Da erhob sich ein wahrhaft höllisches Zischen, Pfeifen, Stampfen und Klopfen. Sie schien es nicht zu hören. Sie trat langsam vor, ganz vor bis nahe an das Pult des Dirigenten und wartete.
    Natürlich mußte die Musik wieder schweigen. Über fünf Minuten dauerte der Lärm; dann hatte man für jetzt genug. Was würde sie tun? Würde sie vielleicht nochmals beginnen?
    Eine erwartungsvolle Stille trat ein. Da aber bückte sie sich schnell zum Pult des Kapellmeisters herab. Im Nu hatte sie die Partitur in der Hand. Sie warf einen Blick auf die Stellen, welche verändert worden waren, um sie irrezumachen, und dann flog die Partitur weit fort, zwischen die Kulissen hinein.
    Sie erhob den Kopf; ihr Blick schweifte stolz und fest über die aufgeregte Menge.
    „Pöbel!“ erklang es hell und sonor von ihren Lippen.
    Dann drehte sie sich um und entschwand mit stolzen, langsamen Schritten zwischen den pappenen Felsen.
    Nur einen kurzen Augenblick noch währte das Schweigen; dann aber brach ein Brüllen, Schreien und Toben los, wie man es aus menschlichen Kehlen für unmöglich hätte halten sollen.
    „Donner und Doria!“ fluchte der Kommissionsrat. „Doktor, Sie haben doch nicht recht! Sie sagten – ah, Sapperment, wo ist der Kerl hin?“
    Holm war verschwunden. Er empfand eine fürchterliche Angst um die Sicherheit des herrlichen Mädchens. Er war fortgeeilt, um nach der Polizei zu suchen. –
    Unterdessen hatte die Leda mit ihrer Mutter zu Fuß die Straßen durchwandert. Sie waren in der Nähe des Kirchhofs angekommen.
    „Dort war es“, sagte sie. „Dort an jener Stelle stieg ich über die Mauer. Hätte ich es doch nicht so gemacht. Hätte ich das Kind doch lieber in den Fluß geworfen!“
    „Diese klugen Gedanken kommen jetzt zu spät“, brummte ihre Mutter. „Besser wäre es gewesen!“
    „Baron Franz war schuld!“
    „Werden wir unglücklich, so fällt er mit! Das sage ich.“
    „Unglücklich? Wir? Daran ist nicht zu denken. In einer Viertelstunde ist alles

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