Der Tag, an dem das Glück zurückkam (Bianca) (German Edition)
1. KAPITEL
Alex Dane brauchte keinen Arzt, um zu wissen, dass sein Puls gefährlich hoch war. Er drückte einfach zwei Finger auf sein Handgelenk und zählte mit. Gleichzeitig versuchte er, seine Atmung zu verlangsamen und sich wieder einigermaßen in den Griff zu bekommen.
Sein Herz donnerte wie ein Presslufthammer.
Ohne sein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein, hätte er einfach den Rückwärtsgang eingelegt und wäre wieder nach Hause gefahren.
Doch das konnte er nicht.
Rasch überprüfte er die Adresse auf dem zerknitterten Zettel, bevor er ihn wieder zusammenknüllte. Dabei wusste er sie längst auswendig. Und zwar seit jenem Tag, an dem sie ihm von seinem im Sterben liegenden Freund überreicht worden war.
Trotzdem trug er sie noch immer mit sich herum. Nach all diesen Monaten war es nun an der Zeit, den Zettel wegzuwerfen und sein Versprechen einzulösen.
Als er die braune Papiertüte in die Hand nahm, beschleunigte sich sein Herzschlag von Neuem, und Alex verfluchte sich dafür, dass er jemals versprochen hatte, hierher zu kommen.
Alles war genauso, wie er es sich vorgestellt hatte – und doch wieder ganz anders. Die frische Luft, die Bäume, das Gras … All diese ländlichen Eindrücke trafen ihn mit voller Wucht, als er aus dem Wagen stieg.
Ihn umgaben Düfte, nach denen er sich gesehnt hatte, als er sich noch durch Wüsten in weit entfernten Kriegsgebieten geschleppt hatte.
Jetzt konnte er schon das Haus sehen, das ein Stück weit von der Straße entfernt war. Cremefarbene Schindeln lugten unter einem Dach aus Baumkronen hervor. Alles war genauso, wie William Kennedy es beschrieben hatte.
Er versuchte, die Schuldgefühle zu ignorieren, die ihn heimsuchten, seit er wieder amerikanischen Boden unter den Füßen hatte. Dann ging er los und bemühte sich dabei, den militärischen Takt anzuschlagen, der ihm so vertraut war. Sich vorzustellen, es handle sich um einen beruflichen Auftrag, machte die Sache leichter.
Er musste ja nichts weiter tun, als sich vorzustellen, die Gegenstände zu überreichen, zu lächeln und sich dann zu verabschieden. Diesem exakten Ablauf musste er folgen. Die Einladung auf einen Kaffee ausschlagen. Kein Mitleid mit ihr empfinden. Und das Kind dabei nicht ansehen.
Da stand er auch schon am Fuße der Verandatreppe. Die Farbe blätterte von den Stufen ab, ohne sie dabei ungepflegt aussehen zu lassen.
Spielzeug lag auf dem Boden verstreut – zusammen mit einem ausgewetzten Bettvorleger, der wahrscheinlich dem Hund gehörte.
Alex blickte zur Tür, dann auf die Tüte in seiner Hand. Hätte er sich noch fester an sie geklammert, wäre sie womöglich zerrissen.
Er zählte bis vier und sog dabei so viel Luft in seine Lungen, wie nur irgend möglich. Dann klopfte er mehrmals hintereinander an die Holzvertäfelung der Tür.
Geräusche aus dem Innern verrieten, dass jemand zu Hause war. Die rasch näherkommenden Schritte bereiteten ihn darauf vor, dass es nun an der Zeit war, das lange Geübte in der Praxis anzuwenden.
Doch seine innere Stimme forderte ihn auf, die Tüte einfach vor die Tür zu legen und so schnell wie möglich abzuhauen.
Feuchter Schweiß glänzte auf seiner Stirn, als er seinen Füßen befahl, wie angewurzelt stehen zu bleiben.
Wäre er doch niemals hierhergekommen.
Lisa Kennedy überprüfte kurz ihren Pferdeschwanz, zog ihre Schürze enger und öffnete dann die Tür.
Vor ihrer Veranda stand ein Mann, mit dem Rücken zu ihr, als habe sie ihn gerade dabei erwischt, wie er sich aus dem Staub machen wollte.
Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass sie es mit einem Soldaten zu tun hatte. Die kurze Streichholzfrisur und seine kontrollierte, militärische Haltung sprachen eine deutliche Sprache.
„Kann ich Ihnen helfen?“
War er ein Freund ihres verstorbenen Mannes? Sie hatte bereits viele Grußkarten und Anrufe von Männern erhalten, die William gut gekannt hatten. War dies ein weiterer Kamerad, der nach all diesen Monaten sein Beileid bekunden wollte?
Mit einer knappen Drehung, ohne sich dabei vom Fleck zu bewegen, wandte sich der Mann um und sah sie an.
Lisa hörte kurz auf, mit der Schnur ihrer Schürze zu spielen. Die blonde Streichholzfrisur gehörte einem Mann mit den braunsten Augen, die sie jemals gesehen hatte. Seine Schultern waren so breit wie die eines Footballspielers und auf seinen Lippen lag das traurigste Lächeln, das ein Mann wohl zur Schau stellen konnte.
Die Frau in ihr hätte ihn am liebsten in den Arm genommen und ihn
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