63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
sehr ernst den Kopf und bemerkte:
„Von Genüssen wird wohl kaum die Rede sein. Es handelt sich vielmehr um etwas sehr –“
Er hielt inne, blickte nachdenklich im Kreis umher und fuhr dann fort:
„Da kommt mir allerdings ein Gedanke. Wollen Sie uns vielleicht begleiten, Herr von Hellenbach?“
„Ich, ich?“ fragte dieser erstaunt.
„Ja.“
„Sapperlot! Was soll denn Saul unter den Propheten? Haben Sie etwa Empfangsabend?“
„Ja.“
„Nun, so laden Sie lieber meine Frau und Tochter ein. Diese beiden passen besser zu Fräulein von Helfenstein als ich.“
„Für heute doch nicht. Es handelt sich um ein Thema, welches so ernst ist, daß ich die Damen nicht mit demselben beschäftigen darf.“
„Aber Fräulein Alma ist doch auch eine Dame!“
„Das Thema steht in inniger Beziehung zu ihrer Person.“
„Vielleicht auch zu meiner Person, da Sie mich einladen?“
„Ja.“
„Schön, schön! Darf ich denn nicht wenigstens um eine kleine Andeutung bitten, wie dieses Thema lautet?“
„Ja. Dieses Thema lautet: Ihr Bruder.“
Der Oberst sprang auf und fragte ganz erstaunt:
„Mein Bruder?“
„Ja.“
„Der ist doch tot!“
„Allerdings. Gerade mit seinem Tod wollen wir uns beschäftigen.“
„Durchlaucht! Was sagen Sie? Was wissen Sie von ihm?“
„Sie werden es heute abend hören.“
„Wissen Sie vielleicht – oh, Verzeihung, Fräulein Alma! Ich weiß ganz wohl, wie außerordentlich peinlich Ihnen diese Sache ist, aber Durchlaucht haben sie erwähnt und so ist das Unglück einmal geschehen!“
Auch Alma hatte eine Bewegung des Erstaunens nicht zu unterdrücken vermocht. Ihr schönes, engelgleiches Angesicht war um einen Ton bleicher geworden, aber ihre Stimme klang ruhig, als sie jetzt antwortete:
„Es ist wahr, daß ich von jenen Tagen nicht gern sprechen höre, aber Durchlaucht haben ein für allemal Erlaubnis, mich an jene Ereignisse zu erinnern.“
„Ach so! Das ist mir neu. Durchlaucht interessieren sich also für jene unglücklichen Geschehnisse?“
„Ja“, antwortete der Fürst. „Ich will Ihnen aufrichtig gestehen, daß ich Brandt für unschuldig halte –“
„Sapperment!“ fiel der Oberst ein.
„Und daß ich mir Mühe gegeben habe, etwas mehr Licht in diese dunkle Angelegenheit zu bringen.“
„Ist Ihnen das gelungen?“
„Ich denke, daß der heutige Abend wenigstens einen kleinen Erfolg bringen werde. Ich habe nämlich Einladungen ergehen lassen; Sie werden alle diejenigen Herren bei mir finden, welche damals Brandt verurteilten, natürlich diejenigen ausgenommen, welche unterdessen gestorben sind.“
„Mein Gott!“ sagte Alma. „Welche Veranstaltung! Ich ersehe daraus, daß wir Wichtiges erfahren werden!“
„Gewiß, gnädige Komtesse. Sie werden Wichtiges erfahren und auch Unerwartetes sehen.“
Da fuhr sie rasch empor:
„Mein Heiland! Doch nicht etwa ihn, ihn, ihn!“
Er wußte, wen sie meinte. Er bat:
„Bitte, Fräulein, fassen Sie sich! Sie werden eine Dame sehen, welche Sie auf keinen Fall bei mir erwarten. Das ist es, was ich meine. Wollen wir aufbrechen?“
„Ja, ja!“ rief der Oberst. „Ich will nur vorher ein wenig Toilette machen!“
Er eilte fort. Alma trat zu dem Fürsten und fragte:
„Durchlaucht, werde ich stark genug sein?“
„Ich hoffe es.“
„Oh, ich habe immer geglaubt, daß meine Kräfte jeder neuen Kunde gewachsen seien, und nun Sie mir sagen, daß ich Wichtiges erfahren werde, fühle ich mich schwach.“
„So will ich Ihnen vorher mitteilen, daß das, was Sie erfahren werden, nichts Schlimmes ist.“
„Oh, ich danke! Haben Sie vielleicht Nachricht von – ihm?“
„Ja.“
„Schreibt er von mir? Denkt er an mich?“
„Er hat sein lebensgroßes Portrait anfertigen lassen und sendete es mir, es Ihnen zu zeigen. Ich soll fragen, ob es vielleicht einen Platz in Ihrer Wohnung finden darf.“
„Gern, ach, zu gern. Darf ich seinen Brief sehen?“
„Ja. Ich werde Ihnen denselben dann zeigen.“
Bald kehrte der Oberst zurück, und nun fuhren sie in einer Schlittendroschke nach dem Palast des Fürsten. Als sie dort eintraten, ließ der Oberst seine Augen fleißig umherschweifen. Alma aber hatte kaum einen Blick für den Glanz und den Reichtum, der hier zu sehen war. Sie hatte nur den einen Gedanken – an den Geliebten.
Es war noch keiner der Eingeladenen angekommen. Der Fürst führte die beiden in ein Salonzimmer, wohin er auch Doktor Zander kommen ließ, welchen er der Baronesse und dem
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