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63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Obersten vorstellte. Dann fragte er den Arzt:
    „Haben Sie alles so gefunden, wie ich es Ihnen während der Fahrt im Coupé sagte?“
    „Ganz so.“
    „Die Patientin?“
    „Nach Wunsch.“
    „Den Schlüssel zur Arznei und das Fläschchen selbst?“
    „Ich habe das letztere bereits in Anwendung gebracht.“
    „Wann wird sie erwachen?“
    „In zwei Stunden, wenn die Wirkung nämlich diejenige ist, welche Sie mir angegeben haben.“
    „Sie ist so. Betrachten Sie die Sache jetzt noch als Geheimnis und sagen Sie auch keinem der Geladenen, der vielleicht während meiner kurzen Abwesenheit kommen sollte, weshalb er geladen ist. Ich lasse Sie jetzt auf eine Viertelstunde zu zweien und bitte um die Erlaubnis, mich für diese Zeit unserer Dame widmen zu dürfen.“
    Er gab Alma den Arm und entfernte sich mit ihr. Draußen auf dem Korridore, welcher taghell erleuchtet war, sagte er zu ihr:
    „Raten Sie, Fräulein, wohin wir gehen!“
    „Nach dem Bild!“ antwortete sie.
    „Ja, aber vorher nach – nun – nach Tannenstein.“
    „Wie ist das möglich?“
    „Sehr leicht. Eigentlich bin ich nicht genau gewesen; denn wir gehen nicht in das Dorf Tannenstein, sondern in den Wald, zu Förster Brandts, wo Sie so oft gewesen sind.“
    „Sie sprechen in Rätseln. Daß Brandts Eltern in dem Haus jenseits Ihres Gartens wohnen, haben Sie mir gesagt, und ich war ja auch bei ihnen: aber wie ich hier in den Wald, in das Forsthaus kommen soll –“
    „So, in dieser Art und Weise.“
    Er öffnete eine Tür, und Alma stieß einen Ruf der Überraschung aus. Sie befand sich im Hausflur des kleinen Forsthauses. Alles, alles war hier genauso wie dort, und als sie links die niedere Stubentür öffnete, befand sie sich in der Wohnstube. Hinten der grüne Kachelofen, das alte Kanapee, dann der Tisch, die hölzernen Stühle, das Tellerbrett, die Bibel über der Tür, die alte Lampe, welche von der niedrigen Decke herabhing. In der Ecke stand der Spinnrocken, und dort zwischen den Beinen des Ofens saß die schwarze Katze, und wahrhaftig, bei ihr im Korb lagen drei, vier junge Kätzchen, welche die beiden Eingetretenen mit munteren Äuglein anblinzelten.
    Alma sagte kein Wort. Sie hielt die Hände gefaltet und betrachtete jeden einzelnen Gegenstand genau und lange, lange Zeit. Dann trocknete sie sich eine Träne und fragte:
    „Das haben Papa und Mama Brandt angegeben?“
    „Ja. Sie hatten die Möbel mitgebracht.“
    „Und das Bild?“
    „Befindet sich auf Schloß Hirschenau.“
    „Wie?“ fragte sie verwundert.
    „Bitte, kommen Sie!“
    Er führte sie wieder in den Korridor zurück und von da in eine Art Vorzimmer. Als er dann eine weitere Tür öffnete, schlug sie die Hände zusammen und rief:
    „Mein Gott, ja! Das ist das Zimmer, welches er bei uns auf dem Schloß bewohnte!“
    Auch hier stimmte alles, selbst das Kleinste mit der Vergangenheit. Sie war tief, tief bewegt. Sie bemerkte hier etwas und da etwas, was sie einst Gustav Brandt geschenkt hatte, Kleinigkeiten; aber sie waren vorhanden, und ihr Anblick trieb ihr die bittersten Tränen in die Augen.
    „O mein Gott“, weinte sie, „könnte er nicht selbst auch hier sein? Er ist unschuldig. Kann das denn nicht entdeckt werden? Wenn Gott mein Leben als Preis dafür forderte, so würde ich es mit Freuden hingeben.“
    „Er ist da, gnädiges Fräulein, wenn auch nur im Bild.“
    Die Stimme des Fürsten zitterte, als er diese Worte sprach.
    „Wo?“
    „Hier.“
    Das, was ein Fenster zu sein schien, war nur eine Art Tür. Er öffnete und trat dann zurück. Hinter der Tür hatte sich das Gemälde befunden.
    „Gustav, o Gustav! Das bist du, ja das bist du!“ schrie sie auf.
    Sie wankte näher und sank auf ihre Knie nieder. Er zog sich durch die Tür in das Vorzimmer zurück und wartete. Er hörte betende, dann leidenschaftlich klagende Worte, unterbrochen vor Schluchzen und Weinen. Endlich wurde es still, und die Tür ging auf. Sie streckte ihm dankend die Hand entgegen und sagte:
    „Auch Sie weinen. Was Sie mich hier sehen lassen, das rührt alte und doch heiße Schmerzen auf, aber ich habe es verdient. Ich habe damals nicht an ihn geglaubt; ich verzweifelte an ihm, und daher mußte er schuldig sein und in die Fremde gehen. Geben Sie mir den Trost, seinen Brief, seine Handschrift zu sehen!“
    „Er liegt drinnen auf dem Tisch.“
    Sie trat wieder ein, und er folgte ihr. Sie sah das zusammengefaltete Papier auf dem Tisch liegen. Sie fragte nicht, warum das Kuvert fehle;

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