63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
diese gern vorsichtiger sein möchte als Sie, sie würde mit sich sprechen lassen. Ich will den ganz Schlechten nicht an Ihnen spielen, und darum gebe ich Ihnen eine Frist zu Überlegen.“
„Wirklich? Welche Güte, Gnade und Langmut!“
„Ja, ich will Rücksicht nehmen.“
„Nun, wie lange geben Sie uns denn Zeit?“
„Bis morgen früh acht Uhr.“
„Bloß!“
„Das ist genug, um die Chancen gegeneinander abzuwiegen. Um acht Uhr komme ich wieder.“
„Bleiben Sie getrost fort. Ich werde Sie nicht vorlassen.“
„So bin ich um Viertel neun Uhr auf der Polizei.“
„Sehr eilig von Ihnen!“
„Um neun Uhr ist die Leiche gefunden!“
„Lassen Sie dem armen Wurm doch Ruhe!“
„Und eine Viertelstunde später sind Sie und Ihre Mutter arretiert.“
„Und eine Viertelstunde später bin ich entlassen, und Sie stecken im Loch!“
„Warten wir es ab! Übrigens gebe ich keineswegs die Hoffnung auf, daß Sie sich bereits heute abend besinnen. Besprechen Sie sich mit Ihrer Mutter, und wenn Sie mir etwas mitzuteilen haben, so schicken Sie nach der Zentralherberge auf der Hauptstraße, wohin ich jetzt gleich gehe, um zu warten. Ich bin dort leicht zu finden, denn meinen Namen wissen Sie! Zwiebel!“
„Ich wundere mich wirklich über Ihre Ausdauer. Ich versichere nun zum zehnten und letzten Mal, daß Sie sich in den Personen irren. Gehen Sie endlich, sonst klingele ich dem Hausknecht, damit er Sie per Extrazug zum Teufel bringen möge!“
„Ich würde mich doch nur hinbringen lassen, um für Sie Quartier zu machen. Gute Nacht!“
„Vorwärts marsch!“
„Auf Wiedersehen, heut oder morgen!“
Damit ging er zur Tür hinaus.
Jetzt erst wollte die Alte dem Schrecken, der über sie gekommen war, Ausdruck geben. Sie schlug die Hände zusammen und sagte in ängstlichem Ton:
„Aber, Aurora, ich begreife nicht, wie du –“
„Still!“ wurde sie rasch unterbrochen. „Ich weiß, was ich tue. Rasch, lauf ihm nach!“
„Wozu?“
„Damit wir sehen, ob er wirklich nach der Hauptstraße geht. Du brauchst ihn nur durch zwei Gassen zu folgen; dann kehrst du zurück!“
Die Alte eilte ihm nach.
Sobald der vermeintliche Zwiebel die Straße erreichte, raunte er einem an der Tür des Nachbarhauses stehenden Manne, der natürlich ein Polizist in Zivil war, zu:
„Man wird mir folgen, um zu sehen, wohin ich mich wende. Um sie sicher zu machen, darf ich mich nicht umdrehen, Kommen Sie also gleich nach, und sagen Sie es mir, wenn die Verfolgung aufgegeben worden ist!“
Er schritt weiter. Kaum hatte er sich um einige Ellen entfernt, so erreichte die Alte die Gasse. Sie bemerkte ihn und folgte ihm, ohne aber gewahr zu werden, daß sie nun selbst beobachtet wurde.
An dem Ende der zweiten Gasse kehrte sie befriedigt um, weil Zwiebel wirklich die Richtung nach der Hauptstraße eingeschlagen hatte. Er hatte sich nicht umgesehen. Jetzt kam der Polizist herbei und meldete:
„Sie ist wieder zurück!“
„Wie weit ging sie mit?“
„Bis an die letzte Ecke.“
„Schön! Kehren Sie an Ihren Posten zurück. Voraussichtlich werden sich die zwei in kurzem an die Scheunen begeben. Legen Sie ihnen nichts in den Weg. Sollten sie aber eine andere Richtung einschlagen, vielleicht gar in der Absicht, die Hauptstadt zu verlassen und die Flucht zu ergreifen, so strengen Sie alles an, sie festzuhalten.“
„Auch Gewalt?“
„Ja, Arretur!“
Der Polizist kehrte nach dem Gasthof um, und der Fürst eilte durch einige Seitengassen nach dem Kirchhof und von da nach den Scheunen hin. –
„Nun?“ fragte die Riesin gespannt, als ihre Mutter wieder in die Stube trat.
„Er ging den rechten Weg.“
„Wirklich nach der Hauptstraße?“
„Ja.“
„Der Esel!“
„Esel nennst du ihn?“
„Ja. Er will mir gefährlich werden und ist doch zu dumm, zu ahnen, wie ich mich dieser Gefahr in wenigen Augenblicken zu erwehren vermag.“
„Wie ich erschrocken bin! Ach, ich muß mich setzen!“
„Verdammt ist's, das ist wahr!“
„Ich dachte, der Schlag würde mich treffen.“
„Ich hatte auch alle Mühe, mich zu beherrschen, als er so schmauchend die Rede auf die Scheunen brachte.“
„Wer hätte das damals gedacht!“
„Daß in der Scheune zwei staken! Die muß der Teufel hingeführt haben!“
„Und daß dieser Mensch uns gehört hat!“
„Und jedes Wort verstanden! Von dem aber, was wir dort eigentlich gewollt haben, scheint er nichts zu wissen. Das ist gut, sehr gut.“
„Er hat uns gesucht!“
„Ja,
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