63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
doch konnte er uns nicht finden, weil wir uns gleich am nächsten Tag fortmachten. Auch die Wartensleben ging mit Seesturm ab. Er hat wirklich Pech gehabt, uns aber doch nach vier Jahren erwischt.“
„Was werden wir tun?“
„Das fragst du noch?“
„Natürlich! Du wirst es doch nicht zu einer Anzeige kommen lassen, Aurora!“
„O doch!“
„Dann sind wir verloren!“
„Unsinn!“
„Er hatte ganz recht: Was wir ihm geben würden, müßte die Wartensleben ersetzen.“
„Ich danke! Ich mag von einer solchen Zwickmühle nichts wissen!“
„Zwickmühle?“
„Na, ja doch! Wie willst du es anders nennen? Wir würden heute zahlen, damit er das Maul halte, und sobald das Geld zur Neige ginge, würde er wieder kommen. Das ist doch Zwickmühle. Darum habe ich ihn gleich ein für allemal abgewiesen.“
„Aber er macht sicher Anzeige. Er sah mir ganz so aus, als ob es ihm ernst sei.“
„Das glaube ich auch.“
„So werden wir arretiert!“
„Fällt keinem Menschen ein!“
„Man wird das Kind finden!“
„Nein.“
„Es ist ja noch dort!“
„Jetzt noch. Morgen früh aber wird es fort sein.“
„Ah, du willst es fortschaffen?“
„Natürlich! Dann mag er Anzeige machen. Wenn die Polizei nichts findet, kann man uns nicht arretieren. Man wird den Kerl für schwachsinnig erklären.“
„Wann gehst du nach den Scheunen?“
„Ich gehe nicht allein. Du gehst natürlich mit. Wir haben eigentlich Zeit bis morgen früh; aber besser ist doch besser. Er könnte auf andere Gedanken kommen.“
„Und schon heute abend Anzeige machen.“
„Ja. Es ist also geraten, das Kind möglichst bald zu entfernen.“
„Wohin schaffen wir es?“
„Am leichtesten wäre es, es ins Wasser zu werfen.“
„Man könnte es da finden!“
„Es kann ja nicht fort- oder angeschwemmt werden! Es ist versteinert und sinkt also sofort unter und bleibt auf dem Boden liegen.“
„So, also ins Wasser damit!“
„Halt! Warte nur! So schnell geht das nicht. Wir müssen auch überlegen, daß wir die Leiche gegen die Leda brauchen. Ohne das Kind können wir ihr nichts beweisen und ihr also auch kein Geld entlocken.“
„Das ist wahr.“
„Es wird also am besten sein, wir verbergen es einstweilen an einem anderen Ort.“
„Aber wo?“
„Das ist schwierig. So schnell läßt es sich auch nicht bestimmen. Es genügt, wenn wir einen Ort haben, an welchem es einstweilen, also für ein paar Tage, sicher ist. Bis dahin fällt uns allemal etwas Besseres ein.“
„Ich weiß etwas!“
„Nun?“
„Wir stecken es in eine Gosse.“
„Die Gossen sind ja gar nicht zugänglich!“
„Hier in der Stadt, ja. Aber draußen im Freien sind sie offen. Wie oft gibt es unter den Chausseen Abzüge, durch welche das Wasser abläuft. So ein Abzug, so eine Gosse wäre für den Augenblick der bequemste Ort.“
„Das ist wahr. Aber es droht uns noch von einer ganz anderen Seite Gefahr. Du hast's ja gehört!“
„Das mit der Wartensleben?“
„Ja. Er sucht sie.“
„Und er wird sie finden!“
„Ganz sicher! Daß dieser Mensch uns hinter der Leda erwischen mußte!“
„Er wird in das Hotel gehen.“
„Vielleicht macht ihn dort der Name irre. Aber desto sicherer wird er sie im Theater sehen. Diesen Gedanken hat ihn ja der Satan eingegeben!“
„Wenn sich die Leda übertölpeln läßt!“
„Das ist es ja eben! Könnte ich ihrer sicher sein, so machte ich mir aus seiner Drohung nicht das mindeste. Aber wenn er sie so überrascht wie uns, so ist es möglich, daß sie vor lauter Schreck alles gesteht.“
„Dann sind wir verloren!“
„Trotzdem wir die Leiche verbergen!“
„Wir müssen sie benachrichtigen!“
„Unbedingt. Wir gehen, sobald wir die Leiche entfernt haben, sofort zu ihr, um sie zu warnen.“
„Sie wird bereits über uns erschrecken.“
„Das kümmert uns nicht. Übrigens gibt uns die neue Gefahr, in welche uns dieser Zwiebel bringt, auch neuen Grund, Zahlung von ihr zu verlangen.“
„Wenn sie Geld hat!“
„Eine Tänzerin hat immer Geld. Nimm den Pelz! Komm, wir wollen gehen!“
„Löschen wir die Lichter aus?“
„Nein. Es ist doch möglich, daß er wiederkommt, um zu sehen, was wir machen. Brennen die Lichter, so wird er glauben, daß wir zu Hause sind.“
Sie gingen. Als sie den Flur erreichten, trat ihnen der Kellner entgegen. Allem Augenschein nach hatte er sie erwartet, doch fiel es ihnen nicht ein, dies zu bemerken.
Er hielt das Fremdenbuch in der Hand und
Weitere Kostenlose Bücher