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64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

Titel: 64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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beleuchtet.
    „Haben Sie nichts gehört?“ fragte er.
    „Was soll ich denn gehört haben?“
    Während dieser Worte war der Posten ganz nahe herangekommen, so daß Bormann ihn mit der Hand berühren konnte.
    „Ein Sägen und Feilen.“
    „Wo denn?“
    „Dort hinten.“
    Bormann zeigte in den Flügelgang hinein. Ganz unwillkürlich drehte sich der Soldat um, um mit dem Auge der angedeuteten Richtung zu folgen. In diesem Augenblick schnürte ihm der riesenstarke Mann mit der Linken die Kehle zusammen und schlug ihm mit dem Hammer ein Loch in den Hinterkopf. Dann legte er ihn hinter die Tür und huschte eilig nach der Nummer Acht.
    Im Nu war die Tür geöffnet.
    „Herr Baron!“
    „Donnerwetter! Bormann!“
    „Ja. Sind Sie gefesselt?“
    „Natürlich.“
    „Ich habe die Schlüssel.“
    Das Gaslicht drang in die offene Zelle. Bormann trat ein. Nachdem er zwei der Fesselschlüssel vergebens probiert hatte, paßte der dritte.
    „Wo ist der Posten?“ fragte der Baron.
    „Erschlagen.“
    „Alle Teufel! Und der Schließer?“
    „Auch tot.“
    „Sie sind ein verwegener Kerl!“
    „Sonst könnte ich Sie nicht herausholen. Da, jetzt sind Sie los. Schnell, kommen Sie!“
    Sie verließen die Zelle, welche Bormann wieder verschloß. Als sie an dem Soldaten vorüberkamen, bewegte er sich. Er war also nicht tot.
    „Soll ich ihm noch eins geben?“ flüsterte Bormann.
    „Nein, wenn es nicht durchaus notwendig ist.“
    „Ich glaube nicht. Also weiter!“
    Vorn am Eingang sagte der Akrobat:
    „Man hat Ihnen Ihre Kleider genommen. Ziehen Sie den Rock hier an, und hier ist die Mütze. In dem Anzug von Sackleinwand würde jeder Begegnende in Ihnen einen entsprungenen Gefangenen erkennen.“
    Der Baron folgte dieser Aufforderung. Dann verließen sie das Gefängnis auf demselben Weg, auf welchem Bormann, der unten seine Stiefel wieder anzog, in dasselbe gekommen war. Draußen auf der Straße angekommen, fragte er:
    „Jetzt wohin?“
    „Nach meiner Wohnung.“
    „Sapperment! Das geht nicht.“
    „Warum nicht?“
    „Man hat dort ausgesucht. Man wird sie bewachen.“
    „Keine Sorge! Mich fängt man nicht wieder! Ich habe einen Diener, auf den ich mich verlassen kann. Ich muß mit ihm reden.“
    „Ist er eingeweiht?“
    „So ziemlich. Wenigstens weiß er Bescheid, falls ich einmal arretiert werden sollte. Er wird auf seinem Posten sein. Er hat einiges, was ich notwendig brauche, in seiner Verwahrung.“
    „Man wird es bei der Haussuchung gefunden haben.“
    „Auf keinen Fall.“
    „So wollen wir es wagen.“
    Sie kämpften sich gegen den Sturm bis in die Nähe des Palastes. Dort führte der Baron den Akrobaten an den Brunnen und sagte:
    „Bleiben Sie hier, bis ich wiederkomme!“
    „Aber Vorsicht, Vorsicht, um Gottes willen!“
    „Keine Sorge! Sehen Sie das erleuchtete Fenster in der ersten Etage?“
    „Ja.“
    „Dort wartet der Diener. Ich werfe ein Steinchen hinan, und darauf kommt er an eines der dunklen Parterrefenster. Womit haben Sie den Schließer erschlagen?“
    „Mit einem Hammer.“
    „Haben Sie diesen noch?“
    „Ich werde ihn doch nicht dort lassen!“
    „Geben Sie ihn mir, so habe ich auf alle Fälle eine Waffe.“
    „Hier ist er. Aber machen Sie nicht lange, denn auch mich darf niemand sehen.“
    Der Baron entfernte sich.
    Bormann paßte auf. Nach einigen Augenblicken wurde an dem erleuchteten Fenster der Vorhang aufgezogen und wieder herabgelassen. Das war jedenfalls das Zeichen, daß der Diener das Signal des Herrn erwartet und auch vernommen hatte.
    Von jetzt an vergingen fast drei Viertelstunden, welche dem Wartenden wie Jahre vorkamen. Endlich hörte er nahe Schritte.
    „Bormann?“
    „Wer ist's?“
    „Ich bin's. Ah, Sie kennen mich nicht! Gut so! Hier regnet es zu sehr. Schnell hinüber unter das Kirchenportal, damit wir uns dort verständigen.“
    Das Portal war so tief, daß der Regen sie nicht erreichen konnte. Als sie dort angekommen waren, sagte der Akrobat:
    „Ich habe fast Angst ausgestanden. Sie blieben so lange fort, fast eine ganze Stunde.“
    „Es ging nicht schneller.“
    „Was haben Sie da unter dem Mantel?“
    „Einen Reisekoffer mit Pässen und Geld.“
    „Wozu den Koffer? Sie wollen doch nicht etwa auf die Eisenbahn?“
    „Oh, doch.“
    „Das wäre eine riesenhafte Unvorsichtigkeit!“
    „Pah! Der beste Freund würde mich nicht erkennen. Übrigens will ich gar nicht abreisen.“
    „Weshalb also nach der Bahn?“
    „Um per Droschke vom Bahnhof zu kommen.

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