64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
Ich will im Hotel Union absteigen.“
„Donnerwetter! Sie sind des Teufels!“
„Ganz und gar nicht.“
„Was wollen Sie in dem Hotel?“
„Uns für einige Millionen Gulden Diamanten holen.“
„Uns? Ich also auch mit?“
„Ja.“
„Danke sehr!“
„Warum? Wollen Sie nicht reich werden?“
„Unter diesen Umständen nicht. Ich bin hier bekannt. Ich darf mich am allerwenigsten in einem Hotel sehen lassen.“
„Das sollen Sie auch nicht.“
„Was denn?“
„Hören Sie mich an! Ich komme vom Bahnhof, steige als Fremder dort im Hotel ab und lasse mir ein Zimmer des ersten Stocks geben. Sie beobachten das. Sobald ich allein bin, kommen Sie zu mir.“
„Auf welche Weise?“
„Hier im Koffer befindet sich ein Seil. Ich lasse es zum Fenster herab, und Sie turnen sich daran empor.“
„Gut. Das geht. Was dann weiter?“
„Sind Sie in meinem Zimmer, so haben wir sehr leichtes Spiel. Ich habe den Schlüssel zu den Zimmern der Tänzerin.“
„Welcher Tänzerin?“
„Ach so! Sie wissen das noch nicht. Im Hotel Union wohnt eine amerikanische Tänzerin, welche Bargeld und Brillanten im Werte von mehreren Millionen bei sich hat. Verstanden?“
„Alle Wetter! Also auf diese ist es abgesehen?“
„Ja.“
„Ist's nicht zu gefährlich?“
„Gar nicht. Wir warten, bis die Korridorlichter ausgelöscht sind, und dann schleichen wir uns ein.“
„Wenn sie Lärm macht!“
„So geben wir ihr eins vor den Kopf. Das erinnert mich an Ihren Hammer. Ich habe ihn nicht gebraucht und also wieder mitgebracht. Hier ist er. Jetzt frage ich Sie, ob Sie mitmachen wollen?“
„Wissen Sie genau, daß diese Reichtümer wirklich da und auch zu haben sind?“
„Ganz gewiß.“
„Na, so wäre ich ein Esel, wenn ich darauf verzichtete! Vogelfrei bin ich einmal. Jetzt heißt es, Geld her, und zwar genug, um verschwinden und dann irgendwo ohne Sorge leben zu können. Das bieten Sie mir, und so wäre ich der größte Esel, wenn ich nicht Zugriffe. Aber was tun wir dann, wenn wir mit der Tänzerin fertig sind? Hoffentlich bleiben wir nicht in der Stadt!“
„Kann mir nicht einfallen. Ich weiß einen Ort, an welchem wir zunächst ungestört die Diamanten teilen können.“
„Teilen?“ fiel der Akrobat schnell ein.
„Ja.“
„Also ein jeder die Hälfte?“
„Natürlich!“
„Darauf wollten Sie wirklich eingehen?“
„Das versteht sich ganz von selbst. Gleiche Gefahr und gleicher Lohn; das ist nicht mehr als gerecht.“
„Aber ich sage Ihnen, daß mich das wundert.“
„Pah! Ich behalte genug. Also, haben wir geteilt, so geht jeder seinen eigenen Weg.“
„Gut! Es ist nur gefährlich, wenn wir beisammenbleiben. Und übrigens bin ich kein Kumpan für Sie, Herr Baron von Helfenstein.“
„Pah! Es hat sich ausgebaront. Mir bleibt nichts anders übrig als auch Ihnen: Ich muß verschwinden und mir irgend einen Winkel suchen, an welchem ich unerkannt und unbelästigt zu leben vermag. Donnerwetter!“
„Was gibt's?“
„Da kommen zwei!“
„Sie werden uns nicht sehen.“
„Hoffen wir es. Also Sie warten am Hotel?“
„Ja.“
Es kamen zwei Gestalten gegen den Wind an der Kirche vorüber. Der Sturm heulte auf und warf ihnen eine ganze Regensee entgegen.
„Sapperment!“ sagte der eine. „Wollen wir nicht einen Augenblick hier untertreten?“
„Ja. Wir haben ja Zeit.“
Sie waren während dieser kurzen Worte stehengeblieben; jetzt schritten sie auf das Portal zu.
„Sie kommen!“ sagte der Akrobat.
„Ja. Schnell fort, Bormann!“ antwortete der Baron.
Sie flohen nicht, sondern sie traten aus dem Portal heraus wie zwei, die ebenso wie die anderen das Recht gehabt hatten, hier Schutz zu suchen. Diese letzteren blieben stehen.
„Haben Sie es gehört?“ fragte der eine.
„Ja.“
„Sagte der eine nicht: Fort, Bormann?“
„Ja.“
„Kennen Sie diesen Namen?“
„Riese Bormann, habe oft von ihm gehört.“
„Und war nicht der andere eine Riesengestalt?“
„Allerdings.“
„Schnell, ihnen nach!“
„Warum?“
„Davon später. Sie sind da die Straße hinab. Wir müssen ihnen so nahe kommen, daß wir ihnen unbemerkt folgen können, ohne sie aus dem Auge zu lassen.“
Der Sprecher war der Doktor der Philosophie Max Holm.
Sie eilten die angegebene Straße hinab. Der Riese hatte sich bereits von dem Baron getrennt und war in eine Nebengasse eingebogen. Sie sahen also nur den Baron vor sich, welcher nur langsam gehen konnte, weil der Sturm ihm grad entgegenblies.
„Es
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