64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
Schuß durch das Gitterfenster der Zelle.“
„Den hört man!“
„Nein. Ich habe Windbüchse und auch ein Tesching, welches keinen Knall hervorbringt.“
„Wie will man die betreffenden Zellen erfahren?“
„Das überlassen Sie nur mir! Ich bin kein solcher Dummkopf wie die beiden alten Knaben. Hätten Sie vielleicht noch einen ähnlichen Auftrag?“
„Noch zwei.“
„Sapperment! Wenn ich einmal am Geldverdienen bin, so höre ich nicht gern gleich wieder auf. Also?“
„Es gibt da in der Siegesstraße Nummer Zehn ein kleines Häuschen, welches dem Fürsten von Befour gehört. Es ist das Hinterhaus seines in der Palaststraße liegenden Grundstücks. Dort wohnt ein junger Mensch namens Robert Bertram, ein Student.“
„Wieviel geben Sie für diesen?“
„Auch tausend Gulden.“
„Sapperment! Dieser Jüngling ist gar sehr leicht weggeputzt!“
„Kinderleicht!“
„Soll ich es übernehmen?“
„Ja.“
„Bis wann soll er weggeblasen sein?“
„Ich gebe nur drei Tage Zeit.“
„Das ist mehr als hinreichend. Und nun weiter!“
„Weiter sind mir zwei im Weg, die im Palast des Fürsten selbst wohnen.“
„Also vornehme Leute? Und wer sind diese?“
„Der Fürst selbst.“
„Das ist schwerer!“
„Und die Baronin Ella von Helfenstein, welche der Fürst als Konkubine bei sich versteckt hielt.“
„Alle Teufel! Ist das so ein Kerl! Was sagt denn der Baron zu diesem Konkubinat?“
„Er weiß gar nicht, wo sich seine davongelaufene Frau gegenwärtig befindet.“
„Wieviel zahlen Sie für diese beiden?“
„Vielleicht noch mehr als für die vorigen.“
„Das läßt sich hören. Aber eine Summe müssen Sie doch wohl angeben können. Nicht?“
„Das kommt auf die Beute an, welche wir dort machen.“
„Sie wollen –“
„Ja“, nickte der Hauptmann.
„Das erstemal aber mißlang es ganz niederträchtig!“
„Desto besser wird es das zweitemal glücken. Wir arbeiten mit allen uns zu Gebote stehenden Armen.“
„Recht so! Aber wann?“
„Ich werde heute rekognoszieren und dann in der Versammlung meine Befehle erteilen.“
„So soll ich heute abend die beiden Lichter aufstecken?“
„Natürlich! Wir werden volle drei Tage lang eine anstrengende aber auch einträgliche Arbeit haben.“
In diesem Augenblick trat der Diener Leonhardt herein. Er setzte sich zu ihnen.
„Nun, haben Sie Antwort auf Ihr gestriges Schreiben erhalten?“ fragte der Hauptmann.
„Nein, ich habe auch keine erwartet.“
„Es handelte sich wirklich um eine Anstellung?“
„Ja. Ich brauche aber keine; ich bin versorgt.“
„So sind Sie mit Ihrer Herrin zufrieden?“
„Sehr. Sie wird überhaupt am längsten in der Residenz gewesen sein, wie es scheint.“
„Das wäre schade! So eine große Künstlerin. Hat sie vielleicht gesagt, daß sie abreisen will?“
„Ja, heute früh. Ich habe bereits verschiedenes einpacken müssen, besonders die Juwelen. Ist das eine Pracht und Herrlichkeit! Die Augen gehen einem über!“
„Ich habe auch davon gehört. Hat sie den Tag bestimmt, an welchem sie abreisen wird?“
„Noch nicht.“
„Wenn ich ihn doch erfahren könnte!“
„Warum?“
„Hm! So ein alter Knaster, wie ich bin, sollte eigentlich an ganz andere Dinge denken als an so etwas; aber man hat seine Freude doch immer auch daran. Sie soll von einer wunderbaren Schönheit sein. Nicht?“
„Der Geschmack ist zwar verschieden, aber ich denke, daß sie das schönste Mädchen ist, welches ich jemals gesehen habe.“
„Das ist es ja! Ich habe sie noch nie gesehen.“
„Schade, jammerschade!“
„Darum möchte ich sie wenigstens bei ihrer Abreise sehen, auf dem Bahnhof. Und darum wäre es mir sehr lieb, wenn ich den Tag von Ihnen erfahren könnte, Herr Leonhardt.“
„Diesen Gefallen kann ich Ihnen ja gerne tun.“
„Aber ob Sie es genau erfahren?“
„Sehr leicht! Ich frage sie. Es ist immer am besten, wenn man gleich vor die richtige Schmiede geht.“
„Natürlich. Kommen Sie vielleicht heute Abend ein bißchen hierher, wenn auch nur auf ein Viertelstündchen.“
„Nein. Ich habe einen notwendigen Ausgang. Und auch jetzt ist meine Zeit abgelaufen. Leben Sie wohl!“
Er ging, und als er fort war, sagte der Agent:
„Haben Sie es gehört? Er hat einen notwendigen Ausgang. Ich habe ihn nämlich gestern für heute Abend bestellt.“
„Wohin?“
„Wieder an denselben Ort.“
„Weshalb?“
„Wegen der Kleinodien der Tänzerin.“
„Oh, da wird mit ihm nichts zu
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