64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
Sie den kleinen Robert mit der Leiche des Sohnes der Botenfrau verwechselt.“
„Nein, nein!“
„Sie haben den Knaben in das hiesige Findelhaus geschafft.“
„Das ist mir nicht eingefallen!“
„Und doch haben Sie es gestern dem Baron Franz von Helfenstein in seinem Zimmer eingestanden.“
„Das ist nicht wahr!“
„Sie haben an seiner Stelle den Waldkönig gemacht.“
„Niemals!“
„Sie und die beiden Seidelmanns, und auch der Wagner Hendschel in Obersberg.“
„Wer das sagt, der lügt!“
„Oh, Sie wissen sogar, daß der Baron derjenige ist, den man hier mit dem Wort ‚Hauptmann‘ bezeichnet.“
„Herr Brandt, ich weiß gar nicht, wie Sie auf solche Vermutungen kommen. Ich bin ein ehrlicher Mann.“
„Für einen Verbrecher im tiefsten Sinne des Wortes halte ich Sie auch nicht. Darum war es meine Absicht, Sie zu retten. Es tut mir leid, Sie anders zu finden, als ich gewünscht habe. Wenn Ihnen alles gleichgültig ist, so habe ich gemeint, daß Sie doch wenigstens Ihren Sohn nicht ganz und gar ins Verderben stürzen würden.“
Der Schmied hob rasch den Kopf empor und fragte:
„Wieso?“
„Man wird Ihnen alles beweisen, alles. Sie gestehen nicht, und so wird man zum härtesten Strafmaß greifen, während ein offenes Geständnis Ihrem Sohn großen Nutzen gebracht hätte. Sie sind alt; Ihre Strafe wird bald zu Ende gehen. Aber Ihr Sohn könnte, nachdem er Gnade findet, noch lange, lange das Leben haben und auch genießen.“
Das wirkte. Der Schmied blickte sinnend vor sich nieder; dann fragte er:
„Woher wissen Sie, was ich gestern mit dem Baron Franz gesprochen habe?“
„Sehen Sie, daß Sie jetzt zugeben, mit ihm gesprochen zu haben!“
„Ich gebe es nicht zu; ich frage bloß.“
„So kann ich Ihnen auch Ihre Frage nicht beantworten.“
„Hat er es etwa selbst gesagt?“
„Das ist meine Sache. Sie legen sich auf das Leugnen, weil Sie hoffen, von ihm befreit zu werden. Aber wir wissen, daß er der Hauptmann ist. Er hat bereits die Schlinge um den Hals; sie wird sich in kurzem zusammenziehen. Und Sie, der Sie ihn schonen wollen, werden mit ihm untergehen.“
Der Alte antwortete nicht. Er hörte, daß man den Baron kannte; er sah ein, daß Brandt es gut mit ihm meinte; er wollte gegen diese Güte nicht unempfindlich sein; aber es lag auch nicht in seiner Absicht, durch ein umfassendes Geständnis Dinge zu erwähnen, die man ihm vielleicht niemals zu beweisen vermochte. Er beschloß, wenigstens in einem nachzugeben, und sagte:
„Na, Herr Brandt, Sie sollen nicht denken, daß ich ein ganz und gar schlechter Kerl bin. Was ich getan habe, das will ich Ihnen gern gestehen.“
„Daran tun Sie recht. Also, was gestehen Sie?“
„Daß Sie damals an dem Mord des Hauptmanns von Hellenbach unschuldig waren.“
„Sie waren also Zeuge der Tat?“
„Ja.“
„Ihr Sohn auch?“
„Auch er.“
„Wer hat den Hauptmann erschossen?“
„Baron Franz.“
„Mit welcher Waffe?“
„Mit Ihrem Gewehr.“
„Das haben Sie deutlich gesehen?“
„Ganz und gar deutlich. Das war nämlich so!“
Er erzählte, wie es damals sich ereignet hatte. Als er mit seinem Bericht fertig war, fragte Brandt:
„Was machten denn Sie beide im Walde?“
„Wir suchten Pilze.“
„Ach so! Warum zeigten Sie den Baron nicht an?“
„Wir hatten Angst vor ihm.“
„Sie sind doch sonst nicht ängstlich!“
„Wir wußten, daß er ein rachsüchtiger und gewalttätiger Mensch ist. Und sodann glaubten wir, daß Ihre Unschuld auch ohne uns an den Tag kommen werde.“
„Damit haben Sie großes und schweres Elend über mich gebracht. Doch ich verzeihe Ihnen. Werden Sie Ihr gegenwärtiges Bekenntnis zu Protokoll geben?“
„Ja.“
„Und es auch unterzeichnen?“
„Ja.“
„So kommen Sie wieder mit zurück in das Zimmer des Herrn Staatsanwalts, welcher Ihr Geständnis niederschreiben wird.“
Der Staatsanwalt war, unter der offenen Verbindungstür stehend, Zeuge dieser Unterredung gewesen. Er trat jetzt zurück. Das benutzte der alte Schmied. Er trat hart an Brandt heran und raunte ihm zu:
„Schonen Sie meinen Sohn! Ich bitte!“
Dann folgte er ihm in das vordere Zimmer.
Er blieb bei seinem Geständnis, welches er auch unterschrieb, leugnete aber dann alles andere.
Er wurde abgeführt.
Jetzt, da sie nun wieder allein waren, wendete sich der Anwalt zu Brandt:
„Aber, Durchlaucht, ich begreife nicht, daß ein Mensch zwei so verschiedene Gesichter haben kann!“
„Aber Sie
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