65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
um einige Fragen auszusprechen.“
„Wir wissen nichts!“ rief die Frau rasch.
„Ich habe es einstweilen nur mit Fräulein Jettchen zu tun.“
„Auch ich weiß nichts“, beeilte sich auch diese zu sagen.
„Wollen sehen. Vor allen Dingen gebe ich Ihnen die Versicherung, daß Ihnen das Leugnen nichts helfen wird. Es ist alles bereits an den Tag gekommen.“
„Herrgott, was soll es denn nun wieder geben?“ jammerte die Frau. „Nimmt das Unglück gar kein Ende?“
„Sie sind selbst an allem schuld. Wer Unrecht tut, darf sich später nicht beklagen, wenn ihm anderes geschieht, als er erwartet hat. Also zunächst Ihre Tochter!“
Er setzte sich und nahm die kleine Dicke fest ins Auge. Sie gab sich Mühe, diesem Blick standzuhalten; aber es war ihr doch anzusehen, daß sie große Angst ausstand.
„Wo waren Sie gestern abend?“ fragte er.
„Im Tivoli.“
„Sonst nirgends?“
„Nein.“
„Das scheint nicht wahr zu sein.“
„Es ist wahr. Ich kann es beweisen.“
„Wie denn?“
„Ich kann die Mädchen nennen, mit denen ich hinging und dann auch nach Hause gegangen bin.“
„Das ist kein Beweis. Sie können doch dazwischen den Saal einmal verlassen haben.“
„Das ist nicht geschehen.“
„Man will Sie aber doch anderwärts gesehen haben!“
„Das ist eine Lüge!“
„Gut! Haben Sie getanzt?“
„Sehr wenig.“
„Mit wem haben sie sich meist unterhalten?“
Sie nannte die Namen der Mädchen.
„Sind das die einzigen?“
„Ja.“
„Es gibt doch wohl noch eine andere!“
„Nein.“
„Sie haben sehr lange mit einer gewissen Hulda Neumann zusammengesessen und angelegentlich geplaudert.“
„Das ist nicht wahr.“
„Unsinn! Es ist sehr dumm von Ihnen, das zu leugnen. Es sind hundert vorhanden, welche Sie mit diesem Mädchen gesehen haben. Daß Sie es dennoch leugnen, ist eine Albernheit, die ich selbst Ihnen nicht zugetraut hätte. Wenn Sie übrigens fortleugnen, lasse ich Sie arretieren und einstecken. Die Wahrheit sagen, daß ist auch für Sie das allerbeste.“
„Was soll ich denn getan haben?“ fragte sie eingeschüchtert.
„Sie wissen es!“
„Ich weiß es nicht!“
„Also, vor allen Dingen, haben Sie mit der Zofe gesprochen?“
„Ja“, gestand sie jetzt.
„Wovon?“
„Vom Tanz.“
„Nicht bloß davon. Ich will Ihnen auf die richtige Antwort helfen. Sie haben von Ihren früheren Geliebten und dabei auch ein wenig von Rache gesprochen.“
„Davon weiß ich nichts.“
„Es kam dabei ein gewisser Mehnert mit ins Spiel.“
„Auch das ist mir unbekannt.“
„Sie kennen ihn aber doch!“
„Nein.“
„So, so! Er ist Goldarbeiter und sollte Ihnen gewisse Ringe an gewisse Personen versorgen.“
Sie wurde bald rot und bald blaß. Woher wußte dieser fürchterliche Mann das alles? Leugnen war wohl das allerbeste, und so leugnete sie weiter.
„Also Sie sind nicht vom Tivoli fortgegangen?“
„Nein.“
„Nach dem Palais Helfenstein?“
„Nein.“
„Um Schmucksachen zu stehlen?“
„Herrgott! Schmucksachen stehlen, das tut die Jette nicht“, rief ihre Mutter.
Der Fürst blickte der Frau forschend in das erregte Angesicht und antwortete:
„Es ist möglich, daß Sie gar nichts wissen, daß Ihre Tochter Ihnen die Sache verheimlicht hat. Wenn sie aufrichtig sein wollte, so würde sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Mutter und Geschwister vor größerem Unheil bewahren. Ich bin noch jetzt bereit, anzunehmen, daß sie die Verführte ist, daß sie eigentlich gar nicht gewußt hat, was sie tut. Bleibt sie aber beim Leugnen, so wird sie so streng bestraft werden wie die Zofe. Und auch die Mutter und Geschwister muß ich arretieren lassen.“
„Mädchen, Mädchen, was hast du gemacht!“ rief die Alte.
„Nichts, gar nichts“, lautete die Antwort.
„Wir werden nach dem Geschmeide suchen müssen, welches Sie als Ihren Anteil erhalten haben“, sagte der Fürst.
„Ich habe nichts erhalten!“
Es war von ihm allerdings nur eine Vermutung, aber er hatte doch das richtige getroffen. Adolf und der Paukenschläger mußten kommen, und das Suchen begann. Der erstere kannte als der frühere Anbeter der Jette einen jeden Winkel des Hauses. Er brachte bald eine uralte, zusammengebundene Haube lachend herein und sagte:
„Da, diese alte Ursel kommt mir verdächtig vor, Durchlaucht. Es klirrt bedeutend. Soll ich öffnen?“
„Ja.“
Der muntere Polizist machte mühsam die vielfach verschlungenen Knoten auf.
„Gold!“ sagte er dann.
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