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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kann ich leider keine Auskunft geben.“
    „Hm! Es wäre vielleicht gut, sich ihm vorzustellen. Vielleicht aber ist es auch besser, wenn er von uns gar nichts weiß und erfährt. Das erstere können wir allemal noch tun, darum wollen wir das letztere wählen.“
    „Also ein anderes Coupé?“
    „Ja. Am besten wird es sein, wir nehmen auch eine andere Wagenklasse. Fahren wir dritter!“
    „Gut! Je ferner wir uns von ihm halten, desto weniger kann er vermuten, daß wir uns in dieser Weise mit ihm beschäftigen.“
    „Wir kommen jedenfalls noch früh genug mit ihm zusammen. Wir müssen nämlich mit ihm per Postwagen nach Reitzenhain fahren.“
    „Ah, da bin ich neugierig!“
    „Ich gar nicht. Neugierig bin ich nur auf die Linde heute abend. In zehn Minuten geht der Zug ab. Es ist Zeit für Sie, die Ihrigen zu benachrichtigen.“
    „Ich schicke ganz einfach einen Dienstmann zu Papa Brandt und lasse ihm sagen, daß ich mit Doktor Holm nach Reitzenhain gedampft sei, man solle keine Sorge um mich haben.“
    „Ja; in dieser Weise laden Sie alles auf mich. Aber es mag so am besten sein. Wollen uns also die Fahrkarten besorgen. Später können wir ja weitersprechen.“
    Während der Eisenbahnfahrt war, wie sich sehr leicht denken läßt, meist die Rede von Bertrams Verwandlung in einen Baron. In Wildau stiegen sie aus und lösten sich sofort ihre Fahrscheine für die Post. Da sie die ersten waren, welche dies taten, erhielten sie die Plätze Nummer Eins und Zwei, also die Plätze im Fond des Wagens, welche die besseren sind.
    Holm übergab seinen Reisekoffer dem Postillion, welcher ihn zu besorgen hatte, und dann setzten sie sich in die Postrestauration, um den Abgang des Wagens zu erwarten.
    Nach einiger Zeit kam der Freiherr mit seiner Tochter dazu. Sie würdigten die beiden anderen keines Grußes, und während Theodolinde in hochmütiger Haltung Platz nahm, ging der Freiherr, um die Fahrscheine zu besorgen.
    „Die besten Plätze sind bereits weg“, meldete er, als er zurückkehrte. „Das ist unangenehm.“
    „Wieso unangenehm?“ fragte sie.
    „Nun, wirst du etwa mit einem schlechten Platze zufrieden sein?“
    „Das nicht. Ich nehme mir eben den besten; das ist genug und versteht sich ganz von selbst.“
    „Man wird ihn dir nicht lassen.“
    „Oho! Ich will sehen, welcher es wagt, gegen Theodolinde von Tannenstein unhöflich zu sein.“
    Holm und Robert taten, als ob die Worte sie gar nicht berührten. Sie wurden von den beiden anderen auch gar nicht für Reisende gehalten.
    Als das erste Zeichen gegeben wurde, entfernten sich Vater und Tochter. Holm und Robert folgten später und fanden allerdings ihre beiden Plätze besetzt. Sie grüßten sehr höflich, doch wurde ihnen nicht gedankt.
    Sie hatten beschlossen, mit den zwei rückwärts liegenden Sitzen fürlieb zu nehmen; da aber lagen die Schirme, Hüte und andere Effekten der Tannensteins.
    „Bitte, meine Herrschaften, dürften wir Sie um ein wenig Platz ersuchen –?“ meinte der Doktor.
    Er erhielt keine Antwort. Er wiederholte seine Worte, bekam aber auch jetzt keine Silbe zu hören. Da nahm er ganz einfach die unbequemen Gegenstände, legte sie den beiden Schweigenden in den Schoß und setzte sich.
    „Roheit!“ stieß Theodolinde hervor.
    „Hatten Sie etwas zu bemerken, Fräulein?“ fragte der Doktor Holm.
    Sie zuckte geringschätzend die Achsel, antwortete aber nicht. Darum fuhr er fort:
    „Ich dachte, Sie hätten sprechen wollen. Ich liebe es, wenn dies so deutlich geschieht, daß man es verstehen kann, denn dann ist es wenigstens möglich, eine Antwort zu geben.“
    „Eine Antwort wird von Ihnen gar nicht erwartet“, stieß der Freiherr hervor.
    „Ach, dann hat man also gar nicht mit uns gesprochen, und wenn es richtig ist, wie ich vermute, nämlich das Wort ‚Roheit‘ gehört zu haben, so kann dasselbe also nur Ihnen gegolten haben. Bitte um Entschuldigung.“
    Er verneigte sich sehr höflich und lächelte in sich hinein. Der Freiherr ärgerte sich außerordentlich, den ausgeteilten Stich in dieser Weise zurückerhalten zu haben, und wartete nur auf eine Gelegenheit, sich zu rächen. Sie wollte aber nicht kommen; darum zog er sie später, als man bereits die erste Station passiert hatte, mit den Haaren herbei. Der Weg war schlecht geworden, der Wagen wurde hin und her geworfen, und so war es gar nicht zu vermeiden, daß sich die Passagiere zuweilen berührten. Bei einer solchen Gelegenheit fuhr der Freiherr Robert an:
    „Herr, was

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